Felsen, Fluss und Frieden: Das Polenztal gilt als eines der romantischsten Täler in der Sächsischen Schweiz. Von der berühmten Märzenbecherblüte im Frühling bis in den Golden Herbst ist es ein beliebtes Wandergebiet. Doch lohnt sich ein Besuch auch im Winter? Unbedingt! Eine erlebnisreiche, wenn auch nicht immer leichte Tour führt von Porschdorf über Hohnstein zur Brand-Baude und durch den Tiefen Grund zurück.

Eine Wanderreportage von Sebastian Thiel

Wasser ist heute ein unterhaltsamer Begleiter – fast so, als freute es sich, dass es mal jemanden zum Plaudern hat. Mal murmelt es friedlich als Bach neben uns her, mal knistert und raschelt es als Schneegriesel aus den Wipfeln, mal tröpfelt es von Eiszapfen, mal rauscht es als Wasserfall über Felsbrocken. Und manchmal gibt es sich ganz geheimnisvoll – wie hier an der Gautschgrotte, wo es etwas theatralisch über eine überhängende Felswand rinnt und dann aus 20 Metern Höhe in ein natürliches Becken aus Sand und Steinen plätschert. Das ist effektvoll, meditativ, fast schon hypnotisch in der Stille dieses beeindruckenden Ortes.

Winterwandern im Polenztal: Das ist unser heutiges Projekt. Als Vorlage dient uns der »Polenztalweg«, Route 32 in der offiziellen Winterwanderkarte zur Sächsischen Schweiz. Es ist ein Wochentag im Spätwinter und wie geschaffen zum Wandern: blauer Himmel, sonnig, windstill, um die Null Grad. Wanderschuhe und Trekkingrucksack leihen wir im
Tourist Service in Bad Schandau aus. Sogar Grödel, eine Art Schneeketten für die Schuhe, lassen wir uns mitgeben – auch wenn wir nicht damit rechnen, dass wir sie wirklich brauchen.

Eine Person in schwarzen Wanderschuhen mit roten Mikrospikes läuft auf einem verschneiten und vereisten Pfad. Die Schuhe haben dicke Sohlen und sind mit Metallketten für den Halt ausgestattet. Auf dem Boden ist Schnee zu sehen. Die Person trägt beige Hosen.

Offizieller Startpunkt der Tour ist der Haltepunkt Porschdorf, der etwas verwunschen im Sebnitztal liegt. Als Station der Nationalparkbahn U28 ist er von Bad Schandau aus einfach mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. Als wir hier ankommen, hat es die Sonne gerade erst über das Scheibenhorn, einer Felsformation auf der anderen Seite des Flusses, geschafft. Schnee liegt wie Puderzucker auf den dunklen Felsen. Der Atem dampft in der kalten Morgenluft.

Eine Person in einer gelben Jacke und einem schwarzen Hut hält eine große Karte an einem Bahnhof in einer bergigen Gegend. Der Boden und die umliegenden Bäume sind mit Schnee bedeckt. Im Hintergrund sind ein Haus und einige Gebäude unter einem klaren, hellen Himmel zu sehen.

Kurz hinter dem Haltepunkt mündet die Sebnitz in die Polenz, deren Tal wir ab jetzt flussaufwärts folgen. Baumriesen mit bemoosten Stämmen werfen lange Schatten über den ebenen Weg. »Kernzone« mahnen Schilder am Waldrand. Hier ist der Nationalpark besonders wild und schutzbedürftig. Bald rückt der erste imposante Bergrücken ins Blickfeld. In eleganten Schwüngen glitzert die Polenz in der Wintersonne.

Eine Person in einer gelben Jacke und einem schwarzen Rucksack steht an einem kleinen, gewundenen Fluss in einem Winterwald und betrachtet die Landschaft. Unter einem hellen, sonnenbeschienenen Himmel sind kahle Bäume mit leichtem Schnee auf dem Boden zu sehen.

Der Frühling, so scheint es, lässt sich hier nicht mehr lange aufhalten. In den Bäumen, die immer wieder versuchen, uns mit Schneeklümpchen zu treffen, proben sogar schon einige Vögel ihr Märzrepertoire. Die Szene ändert sich abrupt, als wir an der Waltersdorfer Mühle auf die Schattenseite des Flusses wechseln. Hier ist der Winter noch kalt,
weiß und still.

Ein einsamer Wanderer geht einen verschneiten Pfad entlang eines ruhig fließenden Flusses in einer bewaldeten Schlucht. Hohe, felsige Klippen und kahle Bäume umgeben die Szene, und das Sonnenlicht fällt durch das dichte Laub. Der Wanderer trägt eine gelbe Jacke und einen Rucksack.

Links stehen die Felsen des Ziegenrückens, einer schmalen, fast zwei Kilometer langen Felsformation wie eine Wand. Dadurch gelangt nur wenig Licht auf diese Seite des Tals. Perfekte Bedingungen für Moose, die hier teilweise als Bärte an Ästen wachsen oder Stämme komplett umhüllen. Wir blicken hinüber auf die Sonnenseite des Flusses, wo sich der massige Polenztalwächter mit seiner zierlichen Begleiterin, der Polenztalbarbarine, eitel ins Licht rückt.

Wir freuen uns wie Kinder über die erste Handvoll Eiszapfen, die an einem Felsbrocken am Wegesrand hängen – nur um kurze Zeit festzustellen, dass das noch gar nichts war. Am Fuße des Alten Hocksteins stehen wir vor einer Felswand, die über und über mit dieser winterlichen Dekoration geschmückt ist: oben Zapfen, unten Felsen unter deren Eisglasur man das Wasser fließen sieht. Kaum einer, der hier vorbeigeht, ohne das Handy zu zücken.

Ein Waldgebiet mit einem teilweise gefrorenen Wasserfall, Eiszapfen, die von Felsen hängen, und Schnee, der den Boden und die Äste bedeckt. Sonnenlicht fällt durch die Bäume, beleuchtet die eisigen Formationen und schafft eine ruhige, winterliche Szene.

Bald verlassen wir in Entdeckerlaune die offizielle Winterwanderroute, die noch etwas weiter bequem das Tal entlang führt, und biegen nach rechts in den Schindergraben ein. Rau, düster und abenteuerlich zeigt sich uns die schmale Schlucht. Verschneite Sandsteinbrocken und Baumstämme säumen den Pfad. An einigen Stellen ist der Weg auf gesamter Breite so vereist, dass wir jetzt tatsächlich auf die mitgebrachten Grödel zurückgreifen. Mit wenigen
Handgriffen sind sie über die Sohlen gezogen. Die Expedition kann weitergehen.

Eine Person in einer gelben Jacke und einem schwarzen Hut läuft auf einem verschneiten Pfad durch einen Wald. Der Boden und die Bäume sind mit Schnee bedeckt und ein Bach fließt am Weg entlang. Der Wald ist dicht mit hohen Bäumen bewachsen und schafft eine ruhige Winterlandschaft.

Unterhalb der Burg Hohnstein passieren wir die Reste einer einst mächtigen Sperrmauer des ehemaligen Bärengartens. Die mit Efeu bewachsene Ruine, durch die ein Bach plätschert, steht so perfekt schauerromantisch zwischen den Hängen, als warte sie nur darauf, in einer Vollmondnacht von Caspar David Friedrich gemalt zu werden.

Eine Person in gelber Jacke und schwarzem Hut steht vor einer schneebedeckten Bogenbrücke, unter der ein kleiner Wasserfall fließt. Die Szene ist von frostigen Felsen, Grünflächen und teilweise schneebedeckten Bäumen umgeben, die eine ruhige Winterlandschaft schaffen.

Ein Abstecher führt uns zur Gautschgrotte. Nun stehen wir also hier vor diesem imposanten, wagneresken Gebilde, schauen hinauf und halten die Hand in das herabregende Wasser. Ganz selten, in besonders strengen Wintern, bildet sich hier eine 20 Meter hohe Eissäule. Es muss ein beeindruckender Anblick sein.

Eine Person mit einer gelben Jacke und einem blauen Rucksack steht am Fuß einer steilen Felswand. Die Klippe ist durch vertikale Linien und Risse gekennzeichnet, und oben und an den Seiten der Felsformation ist etwas Vegetation sichtbar.

Wenig später, oben, in Hohnstein, hat uns die Nachmittagssonne, die Zivilisation und die ursprüngliche Route wieder. Grundschulkinder gehen mit sperrigen Basteleien aus Pappe zur Bushaltestelle oder zum Elterntaxi. Hübsch und friedlich liegt die Stadt vor uns – mit der Burg, dem gelben Barocktürmchen der George-Bähr-Kirche und dem
Wartenberg im Hintergrund.

Eine kleine Stadt mit zahlreichen Häusern mit roten und weißen Dächern liegt eingebettet zwischen blattlosen Bäumen unter einem klaren blauen Himmel. In der Mitte ragt eine Kirche mit Kirchturm hervor, im Hintergrund sind die umliegenden Hügel zu sehen. Schneeflecken sind sichtbar.

»Brand, Gasthaus, 20 Minuten«, motiviert der Wegweiser. Und als wir exakt 20 Minuten später dort, auf dem »Balkon der Sächsischen Schweiz«, ankommen, bietet sich uns das perfekte Schlussbild unserer Tour: ein 180-Grad-Panorama mit Polenztal, Feldern, Wäldern, Dörfern und den kuriosen Silhouetten der Tafelberge am Horizont.

Ein Wanderer in einer gelben Jacke und einer schwarzen Mütze steht an einem Metallgeländer und blickt auf eine malerische Landschaft mit sanften Hügeln, Tälern und Bergen in der Ferne. Unter einem klaren blauen Himmel sind Schneeflecken über das Gelände verstreut.

Das goldene Abendlicht flutet durch die bodentiefen Fenster den mollig warmen und um diese Zeit fast leeren Gastraum der Brandbaude. Im grünen Kachelofen lodert ein Feuer. Nur ein einzelnes, Englisch sprechendes Pärchen genießt ganz vorn am Fenster ein zeitiges Abendessen.

Doch nach dem Schlussbild kommt für uns noch ein kleiner Epilog: Die etwa 800 Brandstufen hinab ins Tal und der Weg zurück zum Ausgangspunkt. Die untergehende Sonne lässt die Gipfel der Felsen über uns noch einmal orange leuchten, während aus dem Tiefen Grund die Dämmerung heraufsteigt. Uns fällt auf, wie still es um uns geworden ist. Und wie aufs Stichwort, rundet ein über uns hinwegfliegender Kolkrabe mit seinem sanften und wissenden
»kroak kroak« die Szene ab.

Eine Person in gelber Jacke und blauem Rucksack geht in einem felsigen Waldgebiet eine Holztreppe hinunter. Auf dem Boden liegen verstreut kahle Bäume und Schneeflecken, die eine spätherbstliche oder frühwinterliche Atmosphäre erzeugen.

Im Tiefen Grund angekommen, hören wir endlich wieder das Geräusch des Tages, ein Geräusch, dass wir seit Hohnstein nicht mehr gehört hatten: das Rauschen von Wasser. Waitzdorfer Bach und Polenz begleiten uns zurück nach Porschdorf – gerade rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit.

Der Polenztalweg ist eine von 40 Winterwanderrouten inklusive Winter-Einkehr. Die Winterwanderkarte ist unter shop.saechsische-schweiz.de erhältlich.

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