Eintauchen in eine Welt der Klarheit und Stille, auf einsamen Wegen zur inneren Ruhe finden, die Felsenwelt von ihrer geheimnisvollen Seite erleben: Das ist Winterwandern in der SĂ€chsischen Schweiz. Und dafĂŒr braucht es nicht einmal Schnee. Jahr fĂŒr Jahr findet das sanfte Alternativprogramm zum Pistengaudi in Deutschlands einzigen Felsennationalpark mehr und mehr AnhĂ€nger.
Ein Hotspot im doppelten Sinne fĂŒr WintergenieĂer ist Schmilka. Immer im November verwandelt sich das kleine Ărtchen kurz vor der tschechischen Grenze zum gemĂŒtlichen Winterdorf. TagsĂŒber streifen die GĂ€ste durch den Nationalpark, abends sitzen sie am Feuer, in der Panoramasauna oder im Badezuber. Auch wir haben das WinterwanderglĂŒck in Schmilka gesucht und gefunden. Unsere Genusstour durch die Hintere SĂ€chsische Schweiz beginnt bei 6 Grad Luft- und endet bei 39 Grad Wassertemperatur.
âAaaaahhhhh!â Dieser Moment, wenn man nach einer anstrengenden Winterwanderung in ein heiĂes Bad steigt. Und wenn dieses Bad in einem romantisch beleuchteten MĂŒhlenhof mit alten FachwerkhĂ€usern steht, und wenn in diesem MĂŒhlenhof ein Kaminfeuer lodert, im Hintergrund leise Simon & Garfunkel singen, der Dampf in den Abendhimmel aufsteigt und jemand einem ein kĂŒhles, selbstgebrautes Biobier reicht ⊠also dann muss man schon sehr scharf nachdenken, um irgendetwas zu finden, was hier und jetzt zur Perfektion noch fehlt.
Genauso hatten wir uns das gedacht: eine Winterwanderung in der Hinteren SĂ€chsischen Schweiz und ein entspannter Tagesausklang im Winterdorf Schmilka. Zugegeben, dass jemand kurz vor dem Gipfel ausrutscht und sich so richtig schön in den Schlamm setzt, war nicht geplant. Wir lieĂen uns davon nicht die Laune verderben. So war wenigstens fĂŒr folgende Fotos die Frage nach der Schokoladenseite eindeutig geklĂ€rt.
Die Idee fĂŒr diese Winterwanderung hatten wir aus der Winterwanderkarte SĂ€chsische Schweiz, die der Tourismusverband SĂ€chsische Schweiz herausgibt, und die in jeder Touristinfo und bei fast allen Gastgebern zu finden ist. Tour neun mit dem Titel âSchmilkaer Kesselâ, acht Kilometer bzw. 3,5 Wanderstunden lang, hatte es uns besonders angetan. Dass sie als schwere Tour kategorisiert war, schreckte uns nicht ab. Immerhin war ein sonniger, trockener, frostfreier Tag vorausgesagt. Sicherheitshalber hatten wir uns dennoch im Aktivzentrum Bad Schandau ordentliche Wanderschuhe und einen guten Rucksack geliehen.
Schmilka ist leicht erreicht. Sogar die Dresdner S-Bahn hĂ€lt hier. Es ist ihr vorletzter Stopp vor der tschechischen Grenze. Das rauchige Aroma eines Holzfeuers hĂ€ngt in der Luft als wir in dem Dorf eintreffen. Ein UrlauberpĂ€rchen sitzt warm eingepackt beim Kaffee in der Wintersonne. Ein Maurer bessert den Putz eines Fachwerkhauses aus. Ansonsten trĂ€umt das Ărtchen heute noch ein bisschen â legitim an einem Wochentag Anfang MĂ€rz. Der Trubel des Jahreswechsels ist lĂ€ngst vorĂŒber und die Hauptsaison noch fern.
Kurz nach Schmilka geht es merklich bergauf. Die StraĂe wird zum Waldweg, der Wald- zum Bohlenweg, der Bohlenweg zur Treppe, die Treppe zur Leiter. Eine Stunde nach Beginn der Wanderung stehen wir schon hoch oben auf den Felsen und blicken bei einer heiĂen Tasse Tee aus der Thermoskanne hinab in den Schmilkaer Kessel, der jetzt wie eine Miniaturversion des Grand Canyon unter uns liegt. Ein heiser-kehliges aber zugleich auch sanftes âRrrrah rrrrahâ schallt aus dem Wald zu uns herauf. Der geheimnisvolle Ruf der Kolkraben, des gröĂten Singvogels der Erde, begleitet uns heute wie das Rauschen der Wipfel im Wind. Ansonsten schweigt die Natur.
Ein Abstecher bringt uns auf den Carolafelsen. Es ist ein Top-Spot fĂŒr Elbsandsteinfotografen. Doch wir lassen das Stativ heute im Rucksack und genieĂen einfach die Landschaft, den Frieden, die Sonne und die herrliche Luft. Nur zwei UrlauberpĂ€rchen sitzen verstreut auf den Felskuppen und tun es uns gleich. Englische Wortfetzen wehen herĂŒber.
Bald fĂŒhrt uns unsere Tour weiter ĂŒber die Obere Affensteinpromenade in Richtung GroĂer Winterberg. Jetzt ragen beiderseits des Weges kahle StĂ€mme in den Himmel. Wir sind verblĂŒfft. Immerhin befinden wir uns in der streng geschĂŒtzten Kernzone des Nationalparks. Eine Infotafel der Nationalparkverwaltung klĂ€rt auf: Der BorkenkĂ€fer, ein von Forstleuten gefĂŒrchteter SchĂ€dling, darf hier ausnahmsweise weitgehend unbehelligt agieren. Er beschleunigt den erwĂŒnschten natĂŒrlichen Waldumbau, indem er gebietsfremde, ohnehin gestresste Monokulturen zum Absterben bringt. In einigen Jahrzehnten soll hier wieder robuster, natĂŒrlicher Mischwald stehen. Bis dahin mĂŒssen wir mit der apokalyptischen Kulisse an dieser Stelle leben. Ein wissendes âRrrrah rrrrahâ krĂ€chzt ein Kolkrabe von seinem kahlen Ast uns zu.
Unser Weg zweigt nun ab in Richtung Tal, zurĂŒck in den Schmilkaer Kessel. Es geht jetzt kontinuierlich abwĂ€rts. Links und rechts plĂ€tschern BĂ€chlein. Gewaltige moosbewachsene Felsen sĂ€umen den Weg. Eine knappe Stunde spĂ€ter schimmern bereits die DĂ€cher von Schmilka durch die BĂ€ume. Und da ist auch wieder dieser verheiĂungsvolle Duft eines Holzfeuers. Diesmal gehen wir ihm entgegen.
Lichterketten, Kerzenlaternen, Sixties-Folk: Der Hof an der Schmilkâschen MĂŒhle hat sich mit der DĂ€mmerung in eine winterliche Chill-Out-Zone verwandelt. Wir setzen uns mit einem Bierpunsch ans Feuer zu zwei anderen Kurzurlaubern, ein junges Paar aus Dresden.
Der Bademeister, der heute in Personalunion auch Barkeeper und Feuerwart ist, bringt derweil mit einem riesigen RĂŒhrholz und einem Wasserschlauch den Badezuber auf WohlfĂŒhltemperatur. Es soll die letzte Station des heutigen Abenteuers werden. Ach ja, so schön kann Winterwandern sein! Auch ohne Schnee.
Noch mehr Winterwanderrouten in der SĂ€chsischen Schweiz mit vielen gemĂŒtlichen Winter-Einkehrmöglichkeiten findet ihr hier.
Titelbild: (c) Sebastian Thiel
Text: Sebastian Thiel
Bildnachweise:
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