Die dreischiffige Hallenkirche St. Marien, die reich verzierten Bürgerhäuser, das Schloss Sonnenstein, das Tetzelhaus: Das muss man in Pirna einfach gesehen haben. Doch es gibt noch so viel mehr zu entdecken in der Stadt aus Sandstein. Wir haben uns mit einer Stadtführung aufgemacht, das Verborgene zu finden.
Zwölf Uhr mittags in Pirna. Auf dem historischen Marktplatz geht es zu wie auf einem Wimmelbild. Hier ist das Brautpaar, das auf der Treppe zum Standesamt für den Fotografen posiert, da die Schulklasse bei einer Stadtführung, dort die Kellnerin im Straßencafé, die gerade eine Bestellung aufnimmt. Weitere Protagonisten der Szene: Touristen auf Leihrädern, Wanderer in Outdoor-Bekleidung, eine ältere Dame mit Mops, ein Postbote auf dem Moped, ein Lieferant mit einer Sackkarre voller Getränke und viele mehr. Über allen wehen die bunten Wimpelketten, die schon für das Stadtfest aufgehangen wurden. Wir könnten Stunden hier sitzen und das Treiben beobachten. Doch wir haben eine Verabredung.
Vor der Touristinfo wartet schon Stadtführerin Susanne Jentsch auf uns. Mit ihr wollen wir heute die geheimen, verborgenen und merkwürdigen Orte der Stadt entdecken. Wir laufen los zu unserer ersten Station: dem Klosterhof des ehemaligen Dominikanerklosters am Rande der Altstadt.
Auf den Spuren der Dominikaner
„Das ist eine Merkwürdigkeit der Stadtgeschichte“, sagt die Pirnaerin und breitet einen Plan der Altstadt aus. „Die Stadtmauer macht hier einen Sprung von 45 Metern Richtung Westen.“ Damals, bei der Klostergründung um 1300, sei der Platz an der Stadtmauer für die zahlreichen Klostergebäude zu klein gewesen. Also haben die Mönche mit Erlaubnis der Pirnaer Ratsherren die Stadtmauer an dieser Stelle in Eigenleistung abgetragen – und 45 Meter weiter wiedererrichtet. In der Reformationszeit wurde das Konvent aufgelöst. Der einstige Sommerspeisesaal ist heute das Eingangsgebäude des Stadtmuseums, der Kapitelsaal mit dem eindrucksvollen Kreuzrippengewölbe wird wegen seiner guten Akustik gern für Vorträge genutzt.
„Man hat gesagt, jeder Pirnaer Bürger und Besucher der Stadt soll diesen Raum sehen können.“
Susanne Jentsch, Stadtführerin aus Pirna
Wir gehen etwa einhundert Meter weiter in einen versteckten und unglaublich friedvollen Innenhof, den „Zollhof“. Jetzt stehen wir auf der anderen Seite der Klosterkirche und sehen von hier aus zum ersten Mal ihren unvollendet gebliebenen Turm. „Den Mönchen ist offenbar das Geld ausgegangen“, erklärt unsere Führerin. Doch sie möchte uns eigentlich etwas anderes zeigen. Wir drehen uns um und stehen vor einem schlichten Sandsteinbau mit romanischem Rundbogenportal und kleinen Fensteröffnungen.
Es ist das ehemalige Pesthaus der Stadt. „Das war eine fortschrittliche Einrichtung. In Pestzeiten hat man alle Menschen, die mit Pestkranken zu tun hatten, zum Beispiel Barbiere, Pestprediger oder Krankenschwestern abgesondert und hier, im ehemaligen Zeughaus der Stadt, untergebracht. Dadurch hat man die Epidemie schnell in den Griff bekommen.“ Die nächste Entdeckung wartet wenige Schritte weiter in der Stadtbibliothek auf uns. Aus der Hitze des Sommertages treten wir in einen angenehm kühlen Saal mit einer beeindruckenden gotischen Holzbalkendecke.
Sie war ein Überraschungsfund bei den Sanierungsarbeiten, versteckt unter einer später darunter eingezogenen Decke. Das Holz wurde wissenschaftlich auf das Jahr 1381 datiert. Damit ist es eine der ältesten Holzbalkendecken der Stadt. Der ursprüngliche Plan, hier die Technik der Bibliothek unterzubringen, wurde natürlich verworfen. „Man hat gesagt, jeder Pirnaer Bürger und Besucher der Stadt soll diesen Raum sehen können“, erklärt Susanne Jentsch.
Mittelalterliches Straßenpflaster im Keller
Eine weitere Überraschung finden wir im ebenfalls öffentlich zugänglichen Kellergewölbe der Bibliothek. Wir steigen eine enge Treppe hinab und stehen plötzlich auf mittelalterlichem Straßenpflaster aus Elbkieseln. Straßenpflaster im Keller? Wir erfahren, dass das, was heute Keller ist, zur Bauzeit des Hauses noch Erdgeschoss war. Über die Jahrhunderte wurde unter großem Aufwand das Straßenniveau Pirnas immer weiter angehoben, um die Stadt besser vor Hochwasser zu schützen. So haben die Häuser in Elbnähe oftmals ein ganzes Geschoss eingebüßt. „Aber das macht sich bis heute bezahlt“, sagt unsere Begleiterin. „Kleinere Hochwasser reichen nur noch bis zur Altstadtgrenze.“
Es gibt noch vieles mehr, was wir an diesem Nachmittag entdecken: einen historischen Straßenzug, dessen Türen fast alle Attrappe sind, einen 20 Tonnen schweren Sandsteinbrunnentrog mit einer sehr bewegten Geschichte und Quellwasser, das schön machen soll. Schließlich spazieren wir noch durch die hübschen Terrassengärten an Pirnas Hausberg, dem Sonnenstein.
Die Gärten mit Weitblick wurden einst für die Patienten der Anfang des 19. Jahrhunderts hier eröffneten Heil- und Pflegeanstalt angelegt. Seit der Sanierung im Jahr 2008 sind sie wieder so schön wie einst. Unser Rundgang endet mit einem Abschiedsblick von der ehemaligen Festung Sonnenstein über die Altstadt. Schon der berühmte venezianische Maler Canaletto hatte hier gestanden und die Stadtschönheit gemalt. Kaum zu glauben, dass die heute wieder so malerische Pirnaer Altstadt in den 1990er Jahren noch weitgehend verfallen und vor 20 Jahren komplett überflutet war. Aber das sind andere Geschichten, die ein anderes Mal erzählt werden sollen.
Unser Tipp
Ihr wollt selbst gern Pirna im Rahmen einer Gästeführung erkunden? Dann schaut gern beim Tourist Service Pirna nach. Das Angebot findet ihr hier.
Text: S. Thiel; Titelbild: Marko Förster
Bildnachweise:
- Stadtmuseum_Pirna: Marko Förster
- ehemaliges-Pesthaus_Pirna: Marko Förster
- HolzdeckeStadtbiliothePirna: Marko Förster
- Sonnenstein-Terrassengaerten_Pirna: Marko Förster
- Logo Sächsisch-Böhmische Schweiz: TVSSW
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