Der Letzte seiner Art

Rolf Böhm zeichnet die schönsten Wanderkarten fĂŒr die SĂ€chsische Schweiz von Hand.

Eine Person konzentriert sich darauf, mit einem Stift Tinte auf eine Karte aufzutragen. Mithilfe einer Lupe können Details genauer betrachtet werden. In der NĂ€he steht ein Tintenfass, vor dem Hintergrund einer farbenfrohen topografischen Karte. Die Szene lĂ€sst auf prĂ€zise kartografische Arbeit schließen.©: Anna Meurer

Vom Schreibtisch aus geht der Blick auf die Kirnitzsch. Neben einer Farbpalette liegen darauf Feder, Tusche und ein weißes Blatt Zeichenkarton. In seinem Haus in Bad Schandau zeichnet Kartograf Rolf Böhm Wanderkarten noch von Hand. Meist von der SĂ€chsischen und Böhmischen Schweiz, doch auch im Zittauer Gebirge sind seine Karten beliebte Wegbegleiter. „Die Orientierung lĂ€uft heute natĂŒrlich ĂŒber das Handy“, ist der 66-JĂ€hrige ĂŒberzeugt, „aber meine Karten geben einen Überblick ĂŒber ein grĂ¶ĂŸeres GelĂ€nde.“ Schön sind sie außerdem.

Am Anfang steht die Recherche in alten Karten

Seit ĂŒber 20 Jahren sorgt Rolf Böhm fĂŒr Orientierung im Elbsandsteingebirge. Das Handwerk des Kartenzeichners – heute ein aussterbendes – ist ihm sprichwörtlich in die Wiege gelegt worden. „Ich habe als Junge schon gern Karten gezeichnet“, erzĂ€hlt er. Nach der Berufsausbildung mit Abitur arbeitete er bei der Armee als Kartograf und setzte dann in Dresden noch ein Studium drauf. „Danach war ich zunĂ€chst sieben Jahre als Programmierer in Berlin, um nach der Wende in meinen Ausbildungsberuf zurĂŒckzukehren.“

Wenn Rolf Böhm nicht gerade im GelĂ€nde unterwegs ist, um seine Recherchen zu erledigen, arbeitet er im heimischen Atelier im Keller. Behutsam setzt er den Stift an, um die einzelnen Arbeitsschritte zu skizzieren: „Am Anfang steht die Quellenkritik und die Recherche in alten Karten“, erklĂ€rt er und holt ein so genanntes „Messtischblatt“ aus einem großen Schubfach unter dem Zeichentisch hervor. Viele Wege sind darauf eingezeichnet, eine wahre Fundgrube.

„Die Orientierung lĂ€uft heute natĂŒrlich ĂŒber das Handy, aber meine Karten geben einen Überblick ĂŒber ein grĂ¶ĂŸeres GelĂ€nde.“

Als nĂ€chstes zieht er einen handelsĂŒblichen KletterfĂŒhrer aus dem BĂŒcherschrank, um abzugleichen. „Danach geht es raus!“ Auf langen SpaziergĂ€ngen notiert sich Rolf Böhm von Hand in der Feldbuchgrundlage Wegmarken, zeichnet Orientierungspunkte wie Restaurants, Ausflugsziele und Straßen ein. Etwa zwei Wochen dauert diese Vor-Ort-Recherche. Erst dann kommt der weiße Zeichenkarton zum Einsatz. Ein Bleistiftnetz deutet die wesentlichen Koordinaten an, in die Böhm schließlich mit dem Tuschestift seine Karte ĂŒbertrĂ€gt. ZunĂ€chst reißt er frei Hand einige zarte Wege an, bevor er mit dem Kurvenlineal den Verlauf der Autobahn hinzufĂŒgt. Am Wegesrand schraffiert er BĂ€ume, Berge und Wiesen, ergĂ€nzt GaststĂ€tten und ParkplĂ€tze – bis alles komplett ist und ein authentisches Bild ergibt.

Böhms Karten gehören in der SÀchsischen Schweiz dazu wie Sandstein und Vogelgezwitscher

Die Leidenschaft ist mit jedem Pinselstrich spĂŒrbar. Etwa 1000 Arbeitsstunden benötigt er fĂŒr eine einzige Wanderkarte. Viel Liebe, Akkuratesse und Arbeit stecken darin. Ob in WandergaststĂ€tten, Ferienwohnungen oder an Touristeninformationen – Böhms Karten gehören in der SĂ€chsischen Schweiz dazu wie Sandstein und Vogelgezwitscher. Insgesamt 18 StĂŒck hat er bislang am Markt. Hinzu kommen große Ortstafeln und SonderauftrĂ€ge, etwa fĂŒr eine Caspar-David-Friedrich-Karte anlĂ€sslich des JubilĂ€umsjahres.

Illustrierte Karte mit dem Titel „Caspar David Friedrich Spuren in Sachsen“, die Orte in Sachsen, Deutschland, mit kĂŒnstlerischen Verzierungen und detaillierter Topografie hervorhebt. Unten rechts ist eine kleine landschaftliche Darstellung eines Waldes und ein Schild mit der Aufschrift „SĂ€chsische Landschaft“ zu sehen.©: TMGS/Rolf Boehm

Ein ĂŒberraschender Auftrag kam wĂ€hrend des großen Waldbrands 2022 von der Feuerwehr. „Die orderte 800 Karten bei mir, weil da auch die Höhenmeter eingezeichnet sind. Wichtige Informationen, um die Feuerwehrtechnik im GelĂ€nde zu installieren.“ Böhm bezeichnet sich seither scherzhaft als „Feuerwehr-Topografischer Dienst“. Ein bisschen stolz ist er schon auch. „Man hat heute immer das GefĂŒhl, dass alles nur noch digital geht, aber mit den vielen Informationen der Geoinformatik kann der normale Verbraucher nichts anfangen“, sagt er.

Braucht er selbst noch eine Karte, wenn er in der SĂ€chsischen Schweiz unterwegs ist? Böhm lacht. „Ich kenne vielleicht dreiviertel aller Wege und finde immer wieder neue.“ Der Hirschgrund bei Hinterhermsdorf gehört zu seinen Lieblingswegen. Wobei er eher die abenteuerlichen Touren liebt, die nicht jeder kennt, verrĂ€t er mit einem Augenzwinkern, bevor er sich wieder dem Zeichenkarton zuwendet, auf dem die Landschaft langsam Farbe bekommt. ■ Text: Nicole Czerwinka

Author

Write A Comment