©: Marko Förster

Nationalparkflora – die Unbesiegbare

BrĂ€nde, SchĂ€dlinge, StĂŒrme, Lawinen, Trockenheit: Immer wieder werden WĂ€lder von Katastrophen heimgesucht. Und immer wieder erholen sie sich. Der naturkundliche Lehrpfad „Weg zur Wildnis“ zwischen Großem Winterberg und Schrammsteinen erzĂ€hlt von den erstaunlichen SelbstheilungskrĂ€ften der Natur.
Eine Waldszene mit einer Mischung aus gesunden und toten BĂ€umen. Hohe BĂ€ume mit spĂ€rlichen Ästen stehen inmitten dichter grĂŒner Farne und Gras. Der Himmel darĂŒber ist bewölkt. Der Boden ist mit ĂŒppiger grĂŒner Vegetation bedeckt.©: Marko Förster

LĂ€ngst ist jedem Wanderer aufgefallen, dass sich der Wald im Nationalpark SĂ€chsische Schweiz wandelt. Immer wieder ragen kahle, graue Fichten wie Zahnstocher in den Himmel oder liegen bereits umgeknickt kreuz und quer ĂŒber den Boden verteilt. Rund die HĂ€lfte der FichtenwĂ€lder sind abgestorben, etwa 2.000 Hektar. Nicht unerheblich, bei einer GesamtflĂ€che des Nationalparks von reichlich 9.000 Hektar!

NatĂŒrlicher Waldumbau ohne menschliches Zutun

Was hier geschieht, sei natĂŒrlicher Waldumbau, erklĂ€rt der Sprecher der Nationalpark- und Forstverwaltung SĂ€chsische Schweiz, Hanspeter Mayr. Der Wald werde widerstandsfĂ€higer. Wie das funktioniert, erklĂ€rt uns der studierte Geograf auf einer Wanderung von Schmilka ĂŒber den Lehn- und Reitsteig hinauf zum „Weg zur Wildnis“.

Ein Holzsteg schlĂ€ngelt sich durch einen ĂŒppigen, grĂŒnen Wald. Auf der rechten Seite befindet sich ein hölzerner Wegweiser mit einer Informationstafel mit Bildern und Texten ĂŒber die heimische Tierwelt. Rund um den Steg wachsen in HĂŒlle und FĂŒlle Farne und andere Pflanzen.©: Marko Förster

Der Bohlenweg mit Stationen zeigt im Kleinen, was gerade an vielen Orten im Großen passiert. Wo heute der Lehrpfad verlĂ€uft, befand sich bis zum Jahr 2007 ein von Menschenhand angelegter Fichtenforst. Sturmtief Kyrill brachte 40 BĂ€ume zu Fall. FĂŒr den BorkenkĂ€fer war das eine willkommene Einladung. Mit Harz, wie ĂŒblich, konnten sich die Fichten nicht mehr gegen die Eindringlinge wehren. Und anders als in den Jahren zuvor, ließ auch der Nationalparkrevierleiter den SchĂ€dling an dieser Stelle gewĂ€hren. Statt die befallenen BĂ€ume aus dem Wald zu rĂ€umen, blieben sie liegen. Es war ein Pilotversuch zur natĂŒrlichen Waldentwicklung.

Jahr fĂŒr Jahr vermehrte sich der BorkenkĂ€fer; fast alle Fichten starben ab. Was dann passierte, ĂŒberraschte die Förster. In kurzer Zeit entwickelte sich ohne die Hilfe des Menschen aus dem dunklen, dichten Fichtenwald ein junger, lebendiger Mischwald.

GuckkÀsten lenken den Blick auf junge BÀume

Vor dem Eingang deutet Hanspeter Mayr auf eine mĂ€chtige alte Buche. „Das ist die Mutterbuche“, sagt er. „Sie hat hier ĂŒberall ihre Samen verteilt. EichelhĂ€her und Eichhörnchen halfen mit.“ Und tatsĂ€chlich! Was er meint, ist gleich an der ersten Station zu sehen. Sieben GuckkĂ€sten leiten den Blick auf sieben junge BĂ€ume. Darunter, nur wenige Zentimeter groß, ein zartes BuchenpflĂ€nzchen, dessen grĂŒne BlĂ€tter im Sonnenlicht glĂ€nzen.

GenĂŒgend Licht ist ein Faktor, warum sich hier eine Vielfalt an BĂ€umen, darunter Eberesche, Kiefer, Birke, Eiche, LĂ€rche und Fichte, entwickelt. Das Totholz ein anderer. KĂ€fer und Pilze verwandeln das abgestorbene Holz in Humus.

Über einen Holzbohlenweg laufen wir weiter. Am Boden ein dichter Teppich aus HeidelbeerstrĂ€uchern. Dahinter lange, aber noch dĂŒnne Birken. Am Wegrand ein abgebrochener Stamm mit einem stattlichen Zunderschwamm. BlĂ€tter rascheln im warmen Sommerwind. Vögel zwitschern. Über unseren Köpfen das Summen einer Hummel.

Vorher-Nachher-Bilder zeigen die rasante VerÀnderung

„Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell das geht“, sagt Hanspeter Mayr. „Rund 500 Jahre war der natĂŒrliche Kreislauf durch die Forstwirtschaft unterbrochen – jetzt kommt er wieder in Schwung.“

Auf einem Schild sind Fotos abgebildet, die hier zwischen 2011 und 2021 aufgenommen wurden. Sie zeigen die rasante VerÀnderung an dieser Stelle von kahlen Fichten bis zu den ersten nachwachsenden BÀumen. Dahinter lenkt ein leerer Holzrahmen den Blick ins Heute: echte Wildnis.

Eine Holzplattform mit Informationsschildern bietet Ausblick auf einen ĂŒppigen, grĂŒnen Wald unter einem teilweise bewölkten Himmel. Die Schilder enthalten Bilder und Beschreibungen der umgebenden Natur. Hohe BĂ€ume sind sichtbar und sorgen fĂŒr eine ruhige und malerische Aussicht.©: Marko Förster

Wir verlassen den ersten Teil des Lehrpfades und laufen den Reitsteig entlang. Plötzlich lichtet sich rechts von uns der Wald und gibt den Blick frei auf eine FlĂ€che, auf der es 2022 brannte. Schwarzverkohlte StĂ€mme liegen am Boden, dazwischen bedeckt rostrotes Nickendes Pohlmoos die Erde. Hanspeter Mayr geht in die Hocke und betrachtet die winzigen KeimblĂ€tter einer Birke, die im Schutz der StĂ€mme wachsen. „Das sind schon die Vertreter des neuen Waldes“, sagt er begeistert. Teil zwei des Lehrpfades zeigt, was er meint. Denn auch ein Brand bedeutet nicht, dass der Wald stirbt, sondern sich selbst wieder heilt – wenn man ihn lĂ€sst.

Eine Hand mit einem kleinen Messer meißelt an der Basis eines Baumstumpfs, der von grĂŒnen BlĂ€ttern und verstreutem Mulch umgeben ist. Der Boden besteht aus einer Mischung aus HolzspĂ€nen, Moos und kleinen Pflanzen.©: Marko Förster

Der Weg zur Wildnis in KĂŒrze

  • Teil 1: Lehrpfad zum BorkenkĂ€fer und Waldumbau – 250 Meter lang.
  • Teil 2: Lehrpfad zur Waldentwicklung nach dem Waldbrand 2022
  • Beide Wege liegen nah beieinander und können im Rahmen einer Wanderung absolviert werden.

Text: Angela Zimmerling

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