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Vor 80 Jahren endete der zweite Weltkrieg. Fast drei Generationen trennen unsere Gegenwart von der nationalistischen Gewaltherrschaft. Zeitzeugen sind kaum noch unter uns. Doch was geschehen ist, verpflichtet uns, die Erinnerung nicht verblassen zu lassen.
Eine Reise in die Sächsische Schweiz führt auch an Orte des Gedenkens. Hier begegnen wir den Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus, deren Schicksale uns zum Innehalten und Reflektieren anregen.

Gedenkstätte Sonnenstein

In einem Museumsraum sind auf Ständern in Reihen Schwarz-Weiß-Porträtfotos verschiedener Personen ausgestellt, die Opfer des Tötungsanstalt Pirna Sonnenstein waren. Der Raum hat gewölbte Decken und weiße Wände.©: Jürgen Lösel

Die Gedenkstätten Pirna-Sonnenstein erinnert an die Ereignisse in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein. In den Jahren 1940 und 1941 wurden auf dem heutigen Schlossgelände durch Nationalsozialisten mindestens 14.751 Menschen, vorwiegend psychisch Kranke und geistig Behinderte, ermordet. Die ständige Ausstellung bietet tiefe Einblicke, wie das Gedankenkonzept von „lebensunwerten Lebens“ und die Normalisierung der Vernichtung sogenannter „Ballastexistenzen“ in die deutsche Gesellschaft Einzug erhielt. Die frühen Euthanasie-Verbrechen dienten damit auch der personellen, organisatorischen und technischen Vorbereitung des Holocaust.
Die Gedenkstätte ist täglich geöffnet, öffentliche (kostenfreie) Führungen finden jeden Samstag um 14:00 Uhr und in den Monaten Juli und August sogar täglich 14:00 Uhr statt. Auf Anfrage können auch außerhalb der genannten Öffnungszeiten Führungen realisiert werden.
Eine Übersichtstafel und ein Audio-Guide ermöglichen das selbstständige Erkunden des historischen Ortes.

Mahnmal „Vergangenheit ist Gegenwart“

Eine Glasvitrine in einer von Bäumen gesäumten Straße zeigt die grün getönte Abbildung eines historischen Schlosses und von Gebäuden, die sich im Wasser spiegeln. Herbstlaub bedeckt den Boden und geparkte Autos säumen die Straße.©: Stiftung Sächsische Gedenkstätten | Gedänkstätte Pirna-Sonnenstein

Die Denkzeichen „Vergangenheit ist Gegenwart“ führen mit 16 Tafeln vom Pirnaer Bahnhof über das Stadtzentrum hin zum Ort nationalsozialistischer Verbrechen, der heutigen Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein. Jede Tafeln zeigt auf den ersten Blick die schönen Malereien der Festung Sonnenstein aus der Feder des kursächsischen Hofmalers Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, (1722–1780) zu sehen. Vor dieser idealisierten Ansicht Pirnas sind jeweils Begriffe aus dem NS-Vokabular zu lesen, die im Zusammenhang mit den Massenmorden auf dem Sonnenstein in den Jahren 1940/41 stehen. Der Kontrast zur Schönheit des Stadtbildes soll irritieren und die Frage aufwerfen, wie die Stadt, ihre Bewohner und Besucher damals und heute den Ereignissen gegenüberstehen. Vergangenheit und Gegenwart greifen ineinander.

Ausstellung zum frĂĽheren KZ in der Burg Hohnstein

Ein kleiner Steinraum mit Gedenktafeln und Blumen an der Rückwand, Informationstafeln an beiden Seitenwänden und einem schmalen Fenster darüber. Der Raum wird durch Deckenleuchten beleuchtet, wodurch die historischen Ausstellungsstücke hervorgehoben werden.©: AKuBiz e.V.

Zur Festigung ihrer Macht errichteten die Nationalsozialisten direkt nach der MachtĂĽbernahme sogenannte Schutzhaftlager, in welchen politische Gegner inhaftiert wurden. Die Burg Hohnstein, bis 1933 eine Jugendburg, wurde zu einem der ersten frĂĽhen Konzentrationslager in Sachsen. Der damalige Jugendherbergsleiter Konrad Hahnewald war der erste Inhaftierte, da er sich weigerte die Hakenkreuzflagge an der Burg zu hissen. Ein Ausstellungsraum erinnert in der Burg Hohnstein an ihre Geschichte als frĂĽhes Konzentrationslager. Gedenktafeln an der Burgmauer gedenken der Opfer, die in Folge ihrer Misshandlungen starben oder sich das Leben nahmen.

Fahrradtour „Noch einmal möchte morgens ich erwachen…“ von Pirna nach Porschendorf

Ein beiges, dreistöckiges Haus mit grünen Verzierungen und einem kleinen Turm steht zwischen herbstlichen Bäumen. Davor steht ein großer immergrüner Baum, abgefallene Blätter bedecken den Boden. Der Himmel ist bedeckt.©: AKuBiz e.V.

Auf knapp 15 km und ĂĽber ca. 200 Höhenmeter fĂĽhrt die Fahrradtour durch Pirna und sein Umland und begibt sich auf die Spurensuche einer fast vergessenen Familie: Der jĂĽdische Fabrikantenfamilie Scooler betrieb eine Fabrik fĂĽr Papierwaren in Porschendorf, war Arbeitgeber und Stifter eines Ferienlagers fĂĽr jĂĽdische Kinder und wurde im Nationalsozialismus verfolgt. Die Tour ist an die BroschĂĽre „Noch einmal möchte morgens ich erwachen…“ angelehnt und fuĂźt auf den langjährigen Recherchen des Lokalhistorikers Hugo Jensch.

Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Stationen:

Ausstellung über jüdisches Leben in der Sächsischen Schweiz

Zwei Informationsplakate hängen an einer weißen Wand in einer Museumsausstellung. Das sichtbare Plakat stellt die Familie Noack mit Text, Schwarz-Weiß-Fotos von Menschen und historischen Gebäuden vor. Darunter ist eine Glasvitrine teilweise sichtbar.©: AKuBiz e.V.

In den Räumen der Kulturkiste K2 in Pirna (Schössergasse 3, 01796 Pirna) zeigt der Verein AKuBiZ e.V. wechselnde Ausstellungen rund um das Thema Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit. Zwischen den Ausstellungen kann es zu kurzen Pausen kommen (siehe Terminübersicht). Die eigene Ausstellung „Jüdisches Leben in Pirna und der Sächsischen Schweiz“ steht darüber hinaus zur Ausleihe zur Verfügung. Sie zeigt Einblicke in jüdisches Leben in der Sächsischen Schweiz vor 1936 und ruft in Erinnerung, wie vielfältig dieses gewesen ist. Öffnungszeiten sind jeden Donnerstag von 14-bis 17 Uhr.
Die gesamte Ausstellung ist auch Online einzusehen. Der Verein bieten darüber hinaus Wanderungen und Stadtrundgänge zum Thema Erinnerungsarbeit und biografischer Vorstellungen von Verfolgten.

Gedenkspur – gegen das Vergessen

Menschen hocken auf einem Bürgersteig und sprühen mit verschiedenen Sprühdosen bunte Schablonenkunst. Auf Karton und Bürgersteig sind gemalte Schablonen und leuchtende kreisförmige Muster zu sehen.©: TVSSW

Im Gedenken an ca. 15.000 Opfer der NS-Krankenmorde in Pirna-Sonnenstein zieht sich eine Spur bunter Kreuze quer durch die Pirnaer Altstadt, vorbei an der Kirche St. Marien, dem Rathaus bis zum Elbufer.
Die Gedenkspur entstand im Jahr 2002 und basiert auf einer Initiative der Aktion SĂĽhnezeichen Friedensdienste e. V. Berlin, dem Jugendgästehaus Liebethal und dem KĂĽnstler Christoph Hampel. Jedes Kreuz erinnert an einen der mindestens 14.751 Menschen, die in der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Tötungsanstalt in den Jahren 1940 und 1941 ermordet wurden.
Ausgerüstet mit Sprühflaschen und Schablonen wird die Graffiti-Farbe regelmäßig von Schulklassen oder interessierten Jugend- und Erwachsenengruppen erneuert – und damit auch die Erinnerung.
Das Gedenkspur-Sprühen wird betreut von der Aktion Zivilcourage und findet in Kooperation mit der Gedenkstätte Pirna Sonnenstein und dem Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e.V. statt.

„du wirst schon sehen, wenn ich nicht mehr da bin“ – Ein Audiowalk in Sebnitz

Während des Audiowalks „du wirst schon sehen, wenn ich nicht mehr da bin“ schlüpfen die Teilnehmenden auf Grundlage von Archivmaterialien in die Rolle einer ehemaligen Bewohnerin der Stadt Sebnitz und erkunden Sebnitz aus deren Perspektive. Dabei erschließen sie sich erst nach und nach, in wessen Rolle sie für die Dauer des Walks geschlüpft sind und begeben sich in gewisser Weise auch auf Spurensuche nach der eigenen Geschichte.

Ihre und weitere Kurzbiografien von lokalen Opfern nationalsozialistischer Verbrechen stellt die Broschüre „Warum erinnert ihr euch nicht an die Augen von …“ vor. Sie ist in der K2 Kulturkiste und der Tourist-Information kostenfrei erhältlich.

Digitales Dokumentations- und Erinnerungsprojekt: Gedenkplätze.info

Auf der digitalen Geschichtskarte Gedenkplaetze.info haben Lokalhistoriker Hintergründe aus der Zeit des Nationalsozialismus gesammelt. Diese Erinnerungen können Bruchstücke und auch Texte sein und zeigen dabei an konkreten Orten anhand von Einzelbiografen die Möglichkeiten der Zivilcourage bzw. des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, aber auch die Verstrickung von Menschen mit dem Nationalsozialismus.
Die Verbrechen des Nationalsozialismus geschahen vor Ort, inmitten der Städte und Gemeinden. Sie waren „vor der eigenen HaustĂĽr“ sichtbar. Interessierte können in den Erinnerungen auf der Karte stöbern: Was geschah in meiner Nachbarschaft?

Außenlager in der Sächsischen Schweiz

An einzelnen weiteren Orten informieren Tafeln über die historische Vergangenheit der Orte als KZ-Außenlager oder Kriegsgefangenenlager. So informiert beispielsweise eine Schautafel in der Nationalpark-Informationsstelle auf der Brandbaude über das Außenlager „Schwalbe III“ des KZ Flossenbürg am Fuße des Brandes. Unweit des Liliensteines ist der Waldfriedhof ein Gedenkort für das ehemals dahinter im Wald gelegene Kriegsgefangenenlager. Im Aktiv-Hotel Stock & Stein in Königstein Halbestadt gedenkt eine Tafel den Opfern aus der Zeit des ehemaligen Naturfreundehauses als Nebenlager des KZ Hohnstein.

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