Mehr als 1000 Klettergipfel verteilt ĂŒber 700 Quadratkilometer: das Elbsandsteingebirge ist ein
Eldorado fĂŒr Bergsportler. Die eindrucksvollen, bis zu 80 Meter hohen TĂŒrme und freistehenden WĂ€nde locken Kletterer aus der ganzen Welt in die sĂ€chsisch-böhmische Felsenwelt.

Wiege des Klettersports

Die Region gilt als Wiege des Klettersports. Schon im Jahr 1864 bezwangen Turner aus Schandau hier erstmals einen Gipfel, den Falkenstein, aus rein sportlichen Motiven. DafĂŒr benutzten sie noch Holzleitern. Eine Erstbesteigung ohne Hilfsmittel folgte zehn Jahre spĂ€ter am „Mönch“ in Rathen. Unter einheimischen Bergsteigern entbrannte bald ein Wettbewerb um die Besteigung der spektakulĂ€rsten Gipfel. Schusterturm, Gerbingspitze oder Klimmerstein: Einige Gipfelnamen erinnern noch an die Kletterpioniere von damals.

Schwarzweißfoto von hohen, schmalen Felsformationen in einer bewaldeten Landschaft. Zwei Kletterer erklimmen einen der FelstĂŒrme, wĂ€hrend eine andere Person auf einer nahe gelegenen Felsformation steht. Im Hintergrund sind BĂ€ume und HĂŒgel zu sehen.©: Walter Hahn


In anderen klingt die Sehnsucht nach den hohen Bergen der Alpen mit: Großlitzer, Seehorn, HerkulessĂ€ulen oder Große Zinne. 1908 gab Rudolf Fehrmann einen ersten KletterfĂŒhrer in Buchform heraus.
Bis heute wird das Klettern in der SÀchsischen Schweiz mit Faszination und Respekt betrachtet vor allem, weil hier einiges anders ist als anderswo. Seit MÀrz 2024 gehört das Bergsteigen in Sachsen daher zum immateriellen Kulturerbe der UNSESCO.

Bergsteigen in Sachsen als immaterielles Kulturerbe: FĂŒnf Dinge, die beim Klettern
in der SĂ€chsischen Schweiz anders sind als ĂŒberall sonst.

1. Gipfelerlebnisse

Geklettert wird in der SĂ€chsischen Schweiz ausschließlich auf Wegen, die auf Gipfel fĂŒhren. Nur freistehende TĂŒrme, die nicht ĂŒber Wanderwege bestiegen werden können, sind zum Klettern frei gegeben. Ausnahmen bilden die beiden MassivwĂ€nde am Lilienstein und Großen Zschirnstein sowie der Abratzky-Kamin an der Festung Königstein.
Nicht selten muss, gerade in den rechtselbischen Sandsteingebieten, kurz vor dem GipfelglĂŒck noch ein anstrengender Kamin oder Riss gemeistert werden. Auf dem Gipfel findet sich ein Gipfelbuch und eine Abseilöse-manchmal allerdings auf einem Nebenturm, der nur durch einen beherzten Übertritt oder einen Sprung erreicht werden kann. GipfelbucheintrĂ€ge sind hier minimalistisch: Name, Datum, Weg und Nachsteigende. Bildchen oder Kommentare sind verpönt.

Zwei Kletterer mit Helmen und Klettergurten sitzen am Rand eines felsigen Gipfels und blicken auf eine bewaldete Landschaft mit entfernten Felsformationen. Einer der Kletterer liest in einem kleinen Buch, wĂ€hrend der andere zusieht. Beide tragen Outdoor-Kleidung und KletterausrĂŒstung. Der Himmel ist teilweise bewölkt.©: Julia HĂ€ntzschel

2. Schlingen, Knoten und Ufos

Ja, es gibt Sicherungsringe in sÀchsischen Kletterwegen- aber oft erst ab dem VII.Sachsengrad, dann zunÀchst erstmal nur einer und oft auch erst als Belohnung nach (!) der Schwierigkeit. Bis dahin gilt es, zur Absicherung Schlingen zu legen.
Der gut gemeinte Hinweis gebietskundiger Kletterer: »Da liegen Schlingen.« bedeutet nichts anderes, als dass in dem ausgewĂ€hlten Weg Sicherungen untergebracht werden können. Diese sind ausnahmslos textil und bestehen aus großen und kleinen Knoten, aus „Ufos“ genannten Stoffkeilen oder Bandschlingen. Mit Hilfe eines Riss-Spatels stopft man Ufos und Knoten in Risse oder drapiert Bandschlingen um Felsköpfe oder »Sanduhren«.

3. Menschliche Leitern

Weltweit setzt sich der Gedanke des Freikletterns durch. Auf die Fortbewegung mit kĂŒnstlichen Hilfsmitteln wird also zunehmend verzichtet. In Sachsen hingegen darf- ja muss -in einigen Wegen ein Hilfsmittel benutzt werden: nĂ€mlich dort, wo der Erstbegeher das explizit vermerkt hat. Dann darf man an der entsprechenden Stelle einen oder mehrere Bergkameraden ĂŒbereinander »verbauen« und kann ĂŒber diese „menschliche Leiter“ den ersten quten Griff, Tritt oder Sicherungspunkt erreichen. Schon Rudolf Fehrmann hat 1910 formuliert, was zulĂ€ssig ist. Der Benutzung zum Beispiel einer Feuerwehrleiter ist demnach verboten.

4. Magnesiaverbot

Weltweit beliebt, am sĂ€chsischen Sandstein tabu: Magnesia oder Chalk. Chalk in Verbindung mit Feuchtigkeit verschmiert den Sandstein und macht aus griffigem Fels eine schleimige FlĂ€che. Wer nicht auf sein Chalkbag verzichten möchte, kann dieses mit Sand befĂŒllen oder das Handy darin zum Gipfel transportieren.

5. Schwierigkeiten

Im Elbsandsteingebirge gibt es eine eigene Schwierigkeitsskala. Diese reicht von I bis XIc. FĂŒr SprĂŒnge werden Schwierigkeiten von 1 bis 7 vergeben. Durch die dem Sandstein eigenen Strukturen, wie Risse, Reibung und Kamine, ist eine Umrechnung auf UIAA-Grade schwierig. WĂ€hrend die Schwierigkeiten fĂŒr reine Wandkletterei noch gut vergleichbar sind, wird beispielsweise die recht anspruchsvolle Risskletterei des „Alten Weges“ auf den Dreifingerturm
-gerade mal eine sĂ€chsische III- dem Liebhaber kleiner Leisten und Tritte auf strukturierten WĂ€nden schnell einige Schweißperlen auf die Stirn treiben. SpĂ€testens in der „Genießerspalte“ an Meurerturm (IV) wird Schwitzen zum Dauerzustand. Die meisten Gipfel der Region kĂ”nnen jedoch ĂŒber einige leichte, gut zu sichernde und lohnende Wege erreicht werden.

Tipp: Ausstellung im Museum Bad Schandau: „Kletterwelten im Elbsandstein – Bewegung in der Landschaft“

Unter diesem Titel wird eine sehenswerte Daueraussteilung zur Geschichte des Kletterns in der SĂ€chsischen Schweiz gezeigt. Hier ist unter anderem eine Originalausgabe des allerersten KletterfĂŒhrers zu sehen.


Text aus dem Urlaubsmagazin SĂ€chsische Schweiz: Gerit Sophia Heidel

Bildnachweise:

  • Kletterei an den HerkulessĂ€ulen: Walter Hahn
  • Gipfelbuch: Julia HĂ€ntzschel
  • Schlinge und Karabiner am Fels: Peggy Nestler
  • Schlingen, Seile, Karabiner: Peggy Nestler
  • An der Felswand: Peggy Nestler
  • Klettern zum Gipfel: Peggy Nestler
  • Logo SĂ€chsisch-Böhmische Schweiz: TVSSW
  • Winterwandern Nationalparkregion SĂ€chsische Schweiz: Sebastian Thiel
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