Nachts im Nationalpark

Was passiert eigentlich im Nationalpark SĂ€chsische Schweiz nach Sonnenuntergang? Und warum ist eine nĂ€chtliche Ruhepause fĂŒr die Tiere so wichtig? Das wollten wir von Dr. Annika Busse, Referentin fĂŒr Forschung und Monitoring bei der Nationalparkverwaltung SĂ€chsische Schweiz, wissen.

Frau Dr. Busse, angenommen, man wĂŒrde im Nationalpark SĂ€chsische Schweiz mucksmĂ€uschenstill und absolut regungslos die Nacht verbringen. Was wĂŒrde man hören?

Praktisch ganzjĂ€hrig kann man in der DĂ€mmerung den Schrecklaut  eines Rehs vernehmen, der an Hundebellen erinnert. Ansonsten Ă€ndert sich die GerĂ€uschkulisse im Jahresverlauf sehr. Besonders markant sind Rufe wĂ€hrend der Paarungszeiten, zum Beispiel das Röhren der Hirsche im Herbst, das Bellen der FĂŒchse im Januar und Februar oder im MĂ€rz das geheimnisvolle “Huu-hu-huhuhuhuu” des mĂ€nnlichen Waldkauzes sowie das antwortende ‚Kuwitt‘ des Waldkauzweibchens. Im Sommer singen die Heuschrecken und es rascheln Igel durchs Laub.

Auf welche Tierbegegnungen könnte man hoffen?

Die meisten Wildtiere haben feinere Sinne als wir Menschen. Daher haben sie sich zurĂŒckgezogen, lange bevor wir sie sehen. Am ehesten könnte man FledermĂ€use beobachten, die in der DĂ€mmerung aus ihren Quartieren in Felsen und BĂ€umen zur Jagd ausschwirren. WĂŒrde man eine Lampe anschalten, kĂ€men einem vermutlich Insekten wie der Kiefernspanner und andere Nachtfalter entgegen. An BaumstĂ€mmen ließe sich vielleicht der nachtaktive GoldglĂ€nzende LaufkĂ€fer sehen. Ansonsten kann es immer wieder passieren, dass man auf Reh- und Rotwild oder Wildschweine trifft.

©: Nationalparkverwaltung

Wie haben sich die Tiere die Zeit von der Abend- bis zur MorgendÀmmerung im Nationalpark aufgeteilt?

Da gibt es tatsĂ€chlich feste Abfolgen. Bei den Eulen zum Beispiel kommt in der DĂ€mmerung zuerst der Sperlingskauz, dann der Rauhfußkauz und erst danach der Waldkauz. Auch das Wild hat seine Zeiten: Anfangs sind die Rehe auf Nahrungssuche, spĂ€ter dann Rot- und Schwarzwild. Übrigens sind Rehe und Hirsche eigentlich tagaktiv. Sie weichen nur deshalb auf die Nacht aus, weil der Mensch am Tag die LebensrĂ€ume belegt.

Was bedeutet das fĂŒr die Fauna, wenn auch nachts und in der DĂ€mmerung Besucher im Nationalpark unterwegs sind?

Den tagaktiven Tieren fehlt dadurch die Ruhephase, die nachtaktiven bekommen Probleme, ausreichend Nahrung aufzunehmen, sich zu paaren oder den Nachwuchs zu versorgen. Zur Bedrohung wird das fĂŒr die betroffenen Populationen, wenn die nĂ€chtlichen Störungen zur Regel werden. Der Dauerstress schmĂ€lert sowohl die eigenen Überlebenschancen als auch die des Nachwuchses.

©: Nationalparkverwaltung

Ist das der Grund, weshalb das FreiĂŒbernachten stark eingeschrĂ€nkt und freies Zelten in Schutzgebieten nicht erlaubt ist?

Ja, das ist der Hauptgrund. Auch wenn die Leute sich ganz leise verhalten, die Tiere bemerken sie doch, zum Beispiel anhand des Geruchs.

Welche Alternativen gibt es fĂŒr Besucher, die das Abenteuer suchen?

In der Nationalparkregion gibt es ein sehr breites Angebot an legalen und dennoch naturnahen Übernachtungsmöglichkeiten: von CampingplĂ€tzen ĂŒber Herbergen und TrekkinghĂŒtten bis hin zu BiwakplĂ€tzen. Man muss nicht direkt im Schutzgebiet ĂŒbernachten, um es zu erleben. Aus vielen UnterkĂŒnften in der Umgebung ist man am nĂ€chsten Tag zu Fuß schnell im Nationalpark. Nachts den Tieren eine Pause zu gönnen, ist jedenfalls ein wichtiger Beitrag dazu, den Arten, die hier einen RĂŒckzugsort gefunden haben, das Überleben zu ermöglichen. ■


Titelfoto: Hirsch nachts im Nationalpark, Nationalparkverwaltung; Interview: Sebastian Thiel

Bildnachweise:

  • Reh im Nationalpark SĂ€chsische Schweiz: Nationalparkverwaltung
  • Fuchs im Nationalpark SĂ€chsische Schweiz: Nationalparkverwaltung
  • Logo SĂ€chsisch-Böhmische Schweiz: TVSSW
  • Winterwandern Nationalparkregion SĂ€chsische Schweiz: Sebastian Thiel
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