URLAUBSMAGAZIN Sächsische Schweiz 2024 www.saechsische-schweiz.de 80 WINTER Wasser ist heute ein unterhaltsamer Begleiter – fast so, als freute es sich, dass es mal jemanden zum Plaudern hat. Mal murmelt es friedlich als Bach neben uns her, mal knistert und raschelt es als Schneegriesel aus den Wipfeln, mal tröpfelt es von Eiszapfen, mal rauscht es als Wasserfall über Felsbrocken. Und manchmal gibt es sich ganz geheimnisvoll – wie hier an der Gautschgrotte, wo es etwas theatralisch über eine überhängende Felswand rinnt und dann aus 20 Metern Höhe in ein natürliches Becken aus Sand und Steinen plätschert. Das ist effektvoll, meditativ, fast schon hypnotisch in der Stille dieses beeindruckenden Ortes. Winterwandern im Polenztal: Das ist unser heutiges Projekt. Als Vorlage dient uns der »Polenztalweg«, Route 32 in der offiziellen Winterwanderkarte zur Sächsischen Schweiz. Es ist ein Wochentag im Spätwinter und wie geschaffen zum Wandern: blauer Himmel, sonnig, windstill, um die Null Grad. Wanderschuhe und Trekkingrucksack leihen wir im Tourist Service in Bad Schandau aus. Sogar Grödel, eine Art Schneeketten für die Schuhe, lassen wir uns mitgeben – auch wenn wir nicht damit rechnen, dass wir sie wirklich brauchen. Offizieller Startpunkt der Tour ist der Haltepunkt Porschdorf, der etwas verwunschen im Sebnitztal liegt. Als Station der Nationalparkbahn U28 ist er von Bad Schandau aus einfach mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. Als wir hier ankommen, hat es die Sonne gerade erst über das Scheibenhorn, einer Felsformation auf der anderen Seite des Flusses, geschafft. Schnee liegt wie Puderzucker auf den dunklen Felsen. Der Atem dampft in der kalten Morgenluft. Kurz hinter dem Haltepunkt mündet die Sebnitz in die Polenz, deren Tal wir ab jetzt flussaufwärts folgen. Baumriesen mit bemoosten Stämmen werfen lange Schatten über den ebenen Weg. »Kernzone« mahnen Schilder am Waldrand. Hier ist der Nationalpark besonders wild und schutzbedürftig. Bald rückt der erste imposante Bergrücken ins Blickfeld. In eleganten Schwüngen glitzert die Polenz in der Wintersonne. Der Frühling, so scheint es, lässt sich hier nicht mehr lange aufhalten. In den Bäumen, die immer wieder versuchen, uns mit Schneeklümpchen zu treffen, proben sogar schon einige Vögel ihr Märzrepertoire. Die Szene ändert sich abrupt, als wir an der Waltersdorfer Mühle auf die Schattenseite des Flusses wechseln. Hier ist der Winter noch kalt, weiß und still. Links stehen die Felsen des Ziegenrückens, einer schmalen, fast zwei Kilometer langen Felsformation wie eine Wand. Dadurch gelangt nur wenig Licht auf diese Seite des Tals. Perfekte Bedingungen für Moose, die hier teilweise als Bärte an Ästen wachsen oder Stämme komplett umhüllen. Wir blicken hinüber auf die Sonnenseite des Flusses, wo sich der massige Polenztalwächter mit seiner zierlichen Begleiterin, der Polenztalbarbarine, eitel ins Licht rückt. Wir freuen uns wie Kinder über die erste Handvoll Eiszapfen, die an einem Felsbrocken am Wegesrand hängen – nur um kurze Zeit festzustellen, dass das noch gar nichts war. Am Fuße des Alten Hocksteins stehen wir vor einer Felswand, die über und über mit dieser winterlichen Dekoration geschmückt ist: oben Zapfen, unten Felsen unter deren Eisglasur man das Wasser fließen sieht. Kaum einer, der hier vorbeigeht, ohne das Handy zu zücken. Bald verlassen wir in Entdeckerlaune die offizielle Winterwanderroute, die noch etwas weiter bequem das Tal entlangführt, und biegen nach rechts in den Schindergraben ein. Rau, düster und abenteuerlich zeigt sich uns die schmale Schlucht. Verschneite Sebastian Thiel
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