Mal tosend, mal friedlich, mal drohend, mal einladend: Die Kamnitz ist eine Meisterin der Verwandlung. Auf unserer Wanderung durch die Wilde Klamm und die Edmundsklamm in der Böhmischen Schweiz begleitet uns der Fluss. Hier, mitten im tschechischen Nationalpark, treffen wir auf wilde Natürlichkeit und gemütliche Scherzkekse.

Achtung, 2024 ist die Zugänglichkeit noch immer eingeschränkt. Bitte informiere dich auf den Seiten der Böhmischen Schweiz nach den aktuellen Öffnungszeiten: https://www.npcs.cz/de/bezpecnost oder https://herrnskretschen.de/die-klammen-betriebszeiten-und-preise/

Böhmischer Humor funktioniert auch ohne Verben. Wenn František Halbich Deutsch spricht, reiht er Substantiv an Substantiv. „Achtung, Fotoapparat“, ruft der Tscheche, der uns mit seiner Gondel durch die Edmundsklamm in der Böhmischen Schweiz stakt, mit Akzent. „Wasserfall Niagara“, und zeigt auf einen dicken Felsen, von dem ein niedliches Rinnsal herunterfließt. Wir gucken ungläubig. Doch František – rote Jacke, brauner Rangerhut auf dem Kopf – hat eine Überraschung parat. Er zieht an einer Leine, die am gegenüberliegenden Ufer hängt. Plötzlich schwillt das Rinnsal zu einem mächtigen Wasserschwall an und ergießt sich mit tosendem Lärm in die friedliche Kamnitz. Für wenige Sekunden. Dann ist der Spaß vorbei.

Edmundsklamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
František Halbich stakt uns durch die Edmundsklamm.

Es gehört zur Tradition dieser Kahnfahrten in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz, dass der Gondoliere nicht nur schweigend stakt, sondern die Gäste erheitert. Auch wenn die dramatische Szenerie der Klamm mit den hohen Felswänden links und rechts und dem bis zu sechs Meter tiefen Wasser Unterhaltung genug bietet. Meter für Meter, den er den strahlendgrünen Kahn, durch die Felsschlucht lenkt, reißt er einen neuen Witz. Erst auf Tschechisch, dann auf Deutsch.

Lachse in der Kamnitz

Er zeigt auf den Boden des stillen Flusses: „Wasser: Piranha, Krokodil. Name Krokodil Dundee.“ Die Passagiere schmunzeln. Tatsächlich haben sich nicht die räuberischen Fische und Reptilien aus den tropischen Gewässern hier niedergelassen, sondern echte Lachse. Bis in die 1920er Jahre war die Kamnitz, ein Nebenfluss der Elbe, berühmt für ihren Fischreichtum und das Lachsvorkommen. Doch weil Mühlen und Sägewerke das Wasser intensiv nutzen und verschmutzen, verschwand der Lachs. Seit Ende der 1990er Jahre bemüht sich die Nationalparkverwaltung darum, dass die Fische wieder zurückkehren.

Knapp 20 Minuten fahren wir durch die wildromantische Märchenwelt mitten im Nationalpark Böhmische Schweiz im Nordwesten von Tschechien. Zum Abschied gibt der Fährmann noch eine Anweisung: „Damen links, Männer rechts“, sagt er und zeigt den Weg zum Ausstieg aus dem Kahn. Der für die Männer führt geradewegs ins Wasser.

Steinfamilie Edmundsklamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Über der Klamm steht die Felsenfamilie.
Edmundsklamm Kassenhäuschen (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Wie im Märchenwald: Kassenhäuschen in der Edmundsklamm.

Auf dem Waldweg zur Kamnitz

Uns begleitet Dana Štefácková von der Ceské Švýcarsko o.p.s., der Gemeinnützigen Gesellschaft Böhmische Schweiz. Sie ist unsere Wanderführerin und Übersetzerin. Gut, dass wir sie heute, an einem sommerlichen Montagvormittag im Frühlingsmonat April, dabei haben. So ist unser Wanderweg von Mezní Louka nach Hřensko durch die Schluchten Wilde Klamm und Edmundsklamm nicht nur etwas für die Sinne, sondern auch für den Geist.

Dana – beigefarbene Wanderhose, rote Weste, rote Outdoorjacke – schlägt gleich zu Beginn einen straffen Schritt an. Wir wandern vom Parkplatz in Mezní Louka mit seinem „Prebischtor für Kinder“, einem Holzmodell des berühmtesten Wahrzeichens der Böhmischen Schweiz, auf dem blau markierten Waldweg zur Kammitz. Unter uns Wurzeln, Nadeln, Steine, über uns Vogelgezwitscher, Fichtengrün, Sommerbrise.

Dana ŠtefáÄková von der Äeské Švýcarsko o.p.s (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Dana Štefácková von der Ceské Švýcarsko o.p.s. begleitet uns.
Wanderung Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Auf einem angenehmen Waldweg geht es zur Kamnitz.
Borschüre Wilde Klamm und Edmundsklamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Eine Broschüre erleichtert den Überblick. Sogar mit Zeitangaben!

Nach 20 Minuten hören wir den Fluss rauschen. Die Kamnitz kommt mit Getöse von links aus der Kernzone des Nationalparks. Wir folgen ihrer Fließrichtung auf dem gelb markierten Pfad durch die Wilde Klamm. Erst zu Ostern wurde der Weg nach umfangreichen Bauarbeiten wiedereröffnet. Die alten Eisenroste wurden durch neue Holzbalken ersetzt. Wir laufen über alte, flache Steinplatten. „Ich mag diesen Weg“, sagt Dana. Er erinnere an früher, an die beschwerliche Erschließung der Klamm. Im Winter des Jahres 1889 ließ Fürst Edmund Moritz von Clary und Aldringen unter der Führung italienischer Fachmänner einen Promenadenweg bauen. 200 Arbeiter sprengten die Felsen mit Dynamit für Durchgänge, bauten Stege und ein Stauwehr. Im Mai 1890 fuhr der erste Kahn durch die nach ihrem Förderer benannte Klamm, neun Jahre später eröffnete 1898 auch die Wilde Klamm.

Entlang neuer Holzgalerien durch die Wilde Klamm

Dort, wo die mächtigen Felsen dicht am Wasser stehen, laufen wir auf Holzgalerien, die sich an die Felswand klammern, durch die Schlucht. Mir ist schleierhaft, wie sie die Arbeiter hier mitten im Nationalpark befestigen konnten. Steil unter uns umspült die Kamnitz bemooste Gesteinsbrocken. Ein Wanderer im gestreiften Pullover überholt uns. Es ist der erste heute. Vorsaison.

Wanderung Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Neue Holzgalerie in der Wilden Klamm
©: Sebastian Thiel
Über der Kamnitz hängen, einfach toll.

Ich streiche mit der Hand über den rauen Sandstein neben mir, bleibe an den Stellen hängen, die mit leuchtend gelber Schwefelflechte überzogen sind. „Das ist ein gutes Zeichen“, erklärt Dana. „Das heißt, wir haben gute Luft hier.“ Spinnennetze ziehen sich über die Löcher im Sandstein, die manchmal wie Waben aussehen. Wasser und Wind haben sie so geformt.

Wir gelangen an ein winziges, grün-rot gestrichenes Holzhäuschen mit weißen Fenstern. Weißer Rauch steigt auf. Es passt perfekt in diese Idylle.

Der Mann, der aus dem Häuschen heraustritt, ist der Inbegriff böhmischer Gemütlichkeit. Rundes, freundliches Gesicht, weiße Haare, Bauch. Ich denke an Großvater aus Johanna Spyris Heidi-Roman. Er stellt sich uns als Jiří Růžicka vor. Růžicka heißt Röschen, verrät Dana. Jiří reicht uns die Hand zum Einsteigen in seinen Kahn. Geräuschlos gleiten wir 500 Meter über die hier ein bis drei Meter tiefe Kamnitz durch die Wilde Klamm. Auch dieser Fährmann kennt die Geschichten, die zu den Felsen gehören.

Kassenhäusschen Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Rauch steigt auf aus dem Kassenhäusschen in der Wilden Klamm.
Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Jiří Růžicka auf seinem Kahn

Mit dem Kahn durch die Edmundsklamm

Wir gehen weiter durch dunkle Felstunnel, immer entlang des Flusses. Nach einer halben Stunde erreichen wir das Ausflugsrestaurant mit der Dauerausstellung „Von der Mühle bis zum Blockhaus und zurück“. Die kleine Schau beschreibt die Anfänge des Tourismus im Elbsandsteingebirge. Drinnen Fotokopien vom Bau des Panoramaweges 1890, alte Postkartenmotive, ein Holzrelief, ein Mühlrad, eine Camera Obscura. Draußen Bänke, Tische und eine Feuerstelle zum Braten von Würsten. Einen Museumsrundgang und Kaffee später, sitzen wir in František Halbichs Kahn durch die Edmundsklamm. Der Fährmann mit dem Rangerhut navigiert uns dicht an den Felsen vorbei. „Hände weg. Hände in Schoß. Jeder in seine, bitte.“

Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Wilde Natürlichkeit im Nationalpark Böhmische Schweiz.
Edmundsklamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Schwere Brocken in der Edmundsklamm
Edmundsklamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel©: Sebastian Thiel
Frühling lässt grüßen.

Nach einem leicht bergab führenden 20-minütigen Weg weiter am wilden Fluss entlang erreichen wir unser Ziel: Hřensko. Hier, im Restaurant Soutesky, müssten wir jetzt eigentlich Szegediner Gulasch, Rauchfleisch mit Kraut und Kartoffelpuffern oder Forelle mit Salzkartoffeln essen und dazu ein kühles, böhmisches Bier vom Fass trinken. Beim nächsten Mal vielleicht. Dana und auch wir müssen wieder zurück: die Fotos der Niagarafälle sichten und Františeks Substantivsätze zu Papier bringen.

Text: Angela Zimmerling

 Halbtageswanderung Wilde Klamm und Edmundsklamm
 Start: Parkplatz in Mezní Louka
 Ziel: Parkplatz am Eingang zur Edmundsklamm in Hřensko
 Dauer: 3 Stunden
 Öffnungszeiten
 Edmundsklamm: von Ostern bis Anfang Oktober täglich von 9 bis 18 Uhr, 
 ab Oktober bis Anfang November bis 17 Uhr
 Fahrpreise: 5,00 Euro
 Öffnungszeiten
 Wilde Klamm: von Ostern bis Anfang Oktober täglich von 9 bis 17 Uhr, 
 ab Oktober bis Anfang November bis 16 Uhr
 Fahrpreise: 3,50 Euro
 Webseite: http://herrnskretschen.de/
 Beste Wanderzeit: Frühling und Herbst, im Sommer ist der Weg überlaufen
 Bus: An Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien 
 fährt regelmäßig ein Bus zurück nach Mezní Louka.

Fotos:
alle Fotos dieses Blogartikels © ThielPR, Sebastian Thiel

 

Bildnachweise:

  • Edmundsklamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Steinfamilie Edmundsklamm (c) Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Edmundsklamm Kassenhäuschen (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Dana ŠtefáÄková von der Äeské Švýcarsko o.p.s (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Wanderung Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Borschüre Wilde Klamm und Edmundsklamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Wanderung Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
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  • Kassenhäusschen Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Wilde Klamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
  • Edmundsklamm (c) ThielPR, Sebastian Thiel: Sebastian Thiel
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