Ist die Sächsisch-Böhmischen Schweiz tatsächlich ein «Nahverkehrstraumland»? Das wollten wir herausfinden. Unser Ziel: Mit einem einzigen Ticket an einem Tag so viel wie möglich vom Elbsandsteingebirge sehen. Wir entwarfen mit dem Online-Fahrplaner eine ambitionierte Tour durch die Region mit Zwischenstopps, lösten das Elbe-Labe-Ticket, ein Tagesticket für den grenzüberschreitenden Raum und fuhren los.
Gleich vorweg: Auf unsere Bilanz sind wir stolz. Wir kommen auf Fahrten mit vier Bussen, drei Fähren und vier Zügen, davon zwei grenzüberschreitend. Außerdem Zeit für den Besuch einer der berühmtesten Aussichtspunkte, ein gemütliches Café, einen schnell erreichten Tafelberg, ein auferstandenes Schloss, einen uralten Aufzug und ein aus dem Dornröschenschlaf erwecktes Dorf.
Ab 9:10 Uhr: Pirna, Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB), Bus 237 in Richtung Sebnitz
In Pirna, dem Tor zur Sächsischen Schweiz geht es los. Am Zentralen Omnibusbahnhof weht uns ein kühler Wind um die Nase. Die Anzeigentafel zeigt mehr als ein Dutzend Fahrten an, zwölf Steige gibt es hier. Wir müssen an Steig 1, der Bus trifft pünktlich ein. In Lohmen steigt eine Gruppe Vorschüler mit orangefarbenen Basecaps in den Bus. Ausflug ins Erlebnisdorf SteinReich, verrät uns die begleitende Erzieherin. Sie werden nicht die einzige Kindergruppe sein, die uns heute begegnet. Es ist Mai: beliebt für Wandertage und Klassenfahrten.


An 9:33 Uhr: Bastei
Erster Stopp: Bastei. Vor uns sind gleich mehrere Schülergruppen auf dem Weg zu den Aussichtspunkten der berühmtesten Felsformation der Sächsischen Schweiz. Eine Lehrerin sagt: „Kommt einfach mal zur Ruhe, um die Landschaft aufzunehmen.“ Doch die Schüler interessiert gerade etwas ganz anderes. Auf dem Boden in der Tiefe haben sie etwas entdeckt. „Guckt mal, da liegt ein Euro.“ Wir müssen schmunzeln. Nach fünf Minuten haben wir den ersten Aussichtspunkt am Panoramahotel erreicht: Wie gewaltige Riesen ragen die schwarz-grau verwitterten Sandsteinfelsen aus dem Wald in die Höhe.
Nur wenige Schritte weiter hören wir ein lautes Dröhnen. Mit einem Bohrer trägt ein Bauarbeiter die alte Plattform an der berühmtesten Aussicht der Bastei ab; es ist der Beginn der Sicherungsarbeiten am porösen Sandsteinfelsen. In ein paar Jahren soll hier eine neue Plattform entstehen.



Wir legen einen Abstecher zur Ferdinandaussicht ein. Kurzes Anstehen am Aussichtspunkt, dann ist der Blick auf die Basteibrücke frei. Kurz darauf überqueren wir die steinerne Brücke selbst, wandern an der Felsenburg Neurathen vorbei, wo eine Gruppe Teenager am Wegesrand nach einer versteckten Filmrolle sucht. Geocaching. „Es ist geiles Wetter, die Landschaft ist geil, vielleicht will ich jetzt lieber die Aussicht und nicht die Filmrolle“, sagt einer.
Über Steinstufen, durch enge mit Moos bedeckte Felswände und einen Waldweg steigen wir hinab nach Kurort Rathen. Eine halbe Stunde nur. Unten im Ort ist es ruhig. Am Kiosk, wo Bratwurst und Pommes verkauft werden, sind die Jalousien noch geschlossen. Ein buntes Windrad am Elbufer dreht sich eifrig, Fahnen flattern aufgeregt im Wind.
Ab 11:02 Uhr: Kurort Rathen Bahnhof, S1 Richtung Schöna
Wir wollen mit der Gierseilfähre ans andere Ufer, um dort am Bahnhof in die S-Bahn zu steigen. Doch die Fähre bewegt sich nicht, sie wartet am anderen Ufer auf Gäste. Es wird knapp. Als sie doch kommt und wir hinüberfahren, bleiben uns genau vier Minuten bis zum Bahnhof. Es hilft nichts, wir müssen rennen. Am Bahnhof angekommen, haben wir eine Minute Verschnaufpause. Mit der S-Bahn fahren wir fünf Minuten bis nach Königstein.


An 11:07 Uhr: Bahnhof Königstein
Wir entscheiden uns für den Weg am Elbufer entlang in Richtung Stadtmitte. Vor uns ragt die Festung Königstein auf dem gleichnamigen Tafelberg auf. Sie ist das Highlight der Stadt, aber leider haben wir nur eine halbe Stunde Zeit. Königstein ist für uns heute nur ein Umsteigepunkt. Deshalb geht es nicht auf die legendäre Bergfestung, sondern zum gemütlichen „Café im Sachsenhof“ an der Bielatalstraße. Hier, wo Touristen am liebsten die berühmte sächsische Eierschecke probieren, überreicht uns Petra Rektorová frisch duftende Brötchen. Einmal reinbeißen und dann müssen wir weiter, der Bus wartet schon an der Haltestelle.


Ab 11:40 Uhr: Königstein Reißigerplatz, Bus 244a Richtung Cunnersdorf
»Wanderbus – Steine-Linie» steht auf dem Schild an der Frontscheibe. Überpünktlich geht es los. Gekonnt steuert der Fahrer den Bus über Serpentinen durch Gohrisch, den ältesten Luftkurort der Sächsischen Schweiz. Wir passieren das Hotel, in dem im Jahre 1960, als es noch Gästehaus des DDR-Staatsrats war, Dmitri Schostakowitsch sein achtes Streichquartett komponierte. Unser Ziel ist eine Haltestelle weiter, der Papststein.
An 11:49 Uhr: Papstdorf Papststein
Als wir oben auf dem 450 Meter hohen Tafelberg ankommen, können wir es kaum glauben. Nur zehn Minuten dauert der Aufstieg von der Haltestelle zum Plateau. Vor uns liegt das Elbsandsteingebirge mit dem Königstein und dem Lilienstein, dazwischen sattgelbe Rapsfelder und dichte Wälder. Es ist Mittagszeit. Die urige Bergbaude „Berggast“ kommt wie gerufen. Die Sonne hat sich zwar verzogen, trotzdem setzen wir uns auf die Terrasse. Silva Ptácková serviert Bergkäse-Spätzle mit Röstzwiebeln, Krautnudeln mit Schinkenspeck und eingelegten Hirtenkäse. „Wollen Sie nicht lieber reinkommen zum Essen?“, fragt sie besorgt, denn soeben fallen die ersten feinen Regentropfen auf den Tisch. Drinnen, in der urigen Gaststube mit einem Kachelofen, wäre es sicher gemütlicher. Aber wir finden: Diese Aussicht und diese Luft müssen wir noch einmal in uns aufsaugen. Gestärkt und glücklich steigen wir wieder ab, besser: Wir eilen, denn beim Schlemmen haben wir die Zeit aus den Augen verloren.



Ab 13:03 Uhr: Papstdorf Papststein, Bus 244b Richtung Bad Schandau
Zum ersten Mal an diesem Tag denken wir über einen Plan B nach. Denn der Bus nach Bad Schandau kommt nicht. Den Ausflug in die Böhmische Schweiz – vielleicht streichen? Den Onlineplaner des VVO um Rat fragen? Stehen wir überhaupt an der richtigen Haltestelle? Mit sieben Minuten Verspätung kommt der Bus dann doch. Nervös rutschen wir auf dem Sitz hin und her. Ob wir den Anschluss schaffen? Von weitem sehen wir unsere Bahn am Gleis im Nationalparkbahnhof Bad Schandau stehen. Der Bus hält. Wir hasten aus der Tür. Rasen die 20 Meter zum Zug. So schnell wie in diesen Sekunden sind wir wohl zuletzt auf dem Schulsportplatz gerannt.

Ab 13:18 Uhr: Nationalparkbahnhof Bad Schandau, U28 Richtung Rumburk
Uns überkommt ein erhabenes Siegergefühl: Wir haben es geschafft! Wahnsinn, was diese ÖPNV-Tour in uns auslösen kann. Völlig entspannt genießen wir nun die Fahrt in die Böhmische Schweiz durch das malerische Sebnitztal vorbei an steilen Felswänden, durch Tunnel und über Brücken. Hinter Sebnitz öffnet sich das enge Tal zu weiten Wiesen, auf denen Rinder grasen. Wir durchfahren den Schluckenauer Zipfel. Die tschechische Zugbegleiterin weist uns mit freundlich-böhmischem Akzent darauf hin, dass wir in Mikulášovice umsteigen müssen: «Mikulášovice. Umsteigen. Neuer Zug.» In Mikulášovice sehen wir auch warum: Gleisbauarbeiten. Kurz darauf erreichen wir unser Etappenziel Šluknov.
An 14:13 Uhr: Šluknov
Die spannendste Geschichte in der am nördlichsten gelegenen Stadt Tschechiens hat hier das Šluknovský zámek, das Schluckenauer Schloss zu erzählen. Das im Stil der sächsischen Renaissance erbaute Anwesen wurde bei einem Brand 1986 stark zerstört. Nur die Giebelwände und Grundmauern blieben stehen. 20 Jahre lang passierte nicht viel, das Schloss drohte zu verfallen. 2005 erst begannen die Rekonstruktionsarbeiten. Seit 2009 erstrahlt die Anlage wieder in neuem Glanz. Spontan erhalten wir eine kleine Führung durch die nach historischen Vorbild hergerichteten Räume.



Ab 15:40 Uhr: Šluknov, U28 Richtung Decin
Die Rückfahrt mit der Nationalparkbahn nach Bad Schandau verläuft vorbildlich: pünktlich, ruhig, zuverlässig. Der Regen, der gegen die Zugscheiben trommelt, versperrt die Sicht.

An 16:39 Uhr: Bad Schandau
In Bad Schandau verabschiedet sich der Fotograf. Er nimmt die S-Bahn zurück in Richtung Meißen. Ich fahre mit der Fähre, die hier im Tagesticket inbegriffen ist, auf die andere Elbseite. „Schönen Tag“, wünscht der Fährmann. Mit einem Lächeln auf den Lippen laufe ich ein Stück an der Promenade entlang. Es nieselt. Graue Wolkenschleier bedecken den Himmel. Ob sich der Ausblick vom historischen Personenaufzug, wie ich es geplant hatte, überhaupt lohnt? Der Mann, der den 115 Jahre alten Aufzug bedient, kann wahrscheinlich Gedanken lesen. „Sehen Sie, für Sie scheint jetzt die Sonne“, sagt er. Tatsächlich schieben sich ein paar Strahlen durch die Wolken hindurch. Oben angekommen, lehne ich mich einfach an das Geländer und genieße den Ausblick auf die Elbe, die Kurstadt und den Lilienstein.



Ab 17:39 Uhr: Bad Schandau, Personenaufzug, Bus 252 Richtung Schmilka
Die letzte Station dieser Tour heißt Schmilka. Mit dem Bus komme ich von der Haltestelle am Fuß des Personenaufzuges ganz bequem in das aus dem Dornröschenschlaf erweckte Dorf.
An 17:48 Uhr: Schmilka Grenzübergang
Einst war das Örtchen einfach nur ein stilles Grenzdorf. Seit 1993 haucht ihm der Unternehmer Sven-Erik Hitzer neues Leben ein, restaurierte die Mühle von 1665, eröffnete das erste sächsische Biohotel, eine Biobrauerei und sanierte weitere Häuser nach ökologischen Kriterien, in denen er heute Ferienwohnungen und Zimmer vermietet. Als ich am Abend hier ankomme, an den bunten Fachwerkhäusern vorbei hinauf zur Mühle gehe, ist es ruhig. Eine Gruppe Wanderer in bunten Regencapes kauft sich in der Biobäckerei Stücke vom wagenradgroßen Kuchen, ein junger Mann, ebenfalls im wetterfesten Outfit, bestellt draußen im Mühlenhof ein Bier. Ich setzte mich bei einem Glas Wein, Kartoffeln mit Quark, Leinöl und einer Bratwurst in die warme Mühlenstube. Mir kommt das Modewort hyggelig in den Sinn. Ja, genau so fühlt sich das gerade an. Leider kann ich nicht bleiben. Ich muss zurück. Fähre Lena, Jahrgang 1927, bringt mich ans andere Ufer.




Ab 19:37 Uhr: Schmilka Haltepunkt Hirschmühle, S1 Richtung Meißen
Als sich die Sonne auf der Fähre noch einmal von ihrer schönsten Seite zeigt, bin ich mit dem Wetter für heute versöhnt. Zwischen den Wolken schiebt sie kraftvoll ihre Strahlen hindurch, die auf das Maigrün der Bäume und die hellen Sandsteinfelsen fallen. Dazwischen glitzert friedlich die Elbe. Was für ein Schlussbild! Die Fähre legt an, und ich steige in die S-Bahn, die mich nach Hause bringt.
Das Tagesticket in der Jackentasche ist völlig zerknittert, immer wieder musste ich es vorzeigen. Manche Busfahrer schauten nur von Weitem darauf und nickten freundlich, manche Zugbegleiter studierten jede Ziffer genau. Es ist weit gekommen, dieses kleine Stück Papier. Hätten wir das Auto genommen, wären es 134 Kilometer gewesen. Dann hätten wir neun Liter Benzin verbraucht, 22 Kilogramm CO2 in die Luft geblasen. Unsere Bilanz: mit etwa der Hälfte CO2-Ausstoß deutlich ökologischer. Auch darauf sind wir stolz.


Reiseplan
Wer die Reise nachmachen möchte: Bitteschön, hier ist unser Reiseplan, Stand: Mai 2019. Aber bitte prüft die Zeiten vorab. Fahrpläne ändern sich.
Natürlich könnt ihr euch auch ganz individuell eure Tour zusammenstellen, vielleicht mit etwas mehr Zeit an den einzelnen Zwischenstopps.
Von | Nach | Mit | Unternehmungen |
Pirna (ab 9:10) |
Bastei (an 9:33) | Bus 237 | Wandern von der Bastei nach Kurort Rathen, Fährüberfahrt |
Kurort Rathen (ab 11:02) | Königstein (an 11:07) | S-Bahn S1 | Kurzer Aufenthalt in Königstein |
Königstein (ab 11:40) | Papstdorf (an 11:49) | Bus 244a | Wandern auf den Papststein und Einkehr Bergwirtschaft |
Papstdorf (ab 13:03) | Šluknov (an 14:12) | Bus 244b und U28 Nationalparkbahn | Schloss Schluckenau |
Šluknov (ab 15:40) | Bad Schandau (an 16:39) | U 28 und Fähre | Promenade Bad Schandau und Personenaufzug |
Bad Schandau (ab 17:39) | Schmilka (an 17:48) | Bus 252 | Schmilka und Abendessen im Mühlenhof |
Schmilka (ab 19:37) | Pirna (an 20:06) | Fähre und S1 |
Der ÖPNV im Elbsandsteingebirge
Fahrplan:
Elbe-Labe-Ticket
Tagesticket für das Elbsandsteingebirge und darüber hinaus: für den VVO-Verbundraum inklusive Sächsische Schweiz sowie die grenzüberschreitende Nationalparkbahn U28. Außerdem gültig in den meisten Bussen und Bahnen im Bezirk Ústí inklusive Böhmsiche Schweiz. Es kostet 18,50 Euro. www.vvo-online.de
Tickets
Tickets gibt es an den Automaten einiger Haltestellen und an den Bahnhöfen.
Wanderbus
Über das Angebot der Wanderbusse in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz informiert die RVSOE unter www.rvsoe.de
Text: Angela Zimmerling
Fotos:
Titelfoto Bus von Königstein zum Papststein © ThielPR, Sebastian Thiel
Elbe-Labe-Ticket © ThielPR, Sebastian Thiel
Bus zur Bastei ab Pirna © ThielPR, Sebastian Thiel
Aussicht auf der Bastei © ThielPR, Sebastian Thiel
Bauarbeiten an der Basteiaussicht © ThielPR, Sebastian Thiel
Blick von der Ferdinandaussicht zur Basteibrücke © ThielPR, Sebastian Thiel
Bahnhof in Kurort Rathen © ThielPR, Sebastian Thiel
Festung Königstein von der S-Bahn aus gesehen © ThielPR, Sebastian Thiel
Festung Königstein © ThielPR, Sebastian Thiel
Petra Rektorová überreicht frische Brötchen im Café im Sachsenhof in Königstein. © ThielPR, Sebastian Thiel
Aufstieg zum Papststein © ThielPR, Sebastian Thiel
Ausblick vom Papststein © ThielPR, Sebastian Thiel
Bergbaude „Berggast“ © ThielPR, Sebastian Thiel
Bus vom Papststein nach Bad Schandau © ThielPR, Sebastian Thiel
Šluknovský zámek, das Schluckenauer Schloss. © ThielPR, Sebastian Thiel
Šluknovský zámek, das Schluckenauer Schloss. © ThielPR, Sebastian Thiel
Šluknovský zámek, das Schluckenauer Schloss. © ThielPR, Sebastian Thiel
Nationalparkbahn © ThielPR, Sebastian Thiel
Fähre in Bad Schandau © ThielPR, Angel Zimmerling
Promenade in Bad Schandau © ThielPR, Angel Zimmerling
Blick vom Historischen Personenaufzug auf Bad Schandau © ThielPR, Angela Zimmerling
Blick auf die Mühle in Schmilka. © ThielPR, Angela Zimmerling
Gasthof zur Mühle © ThielPR, Angela Zimmerling
Schild zur Brauerei © ThielPR, Angela Zimmerling
Schild an der alten Mühle © ThielPR, Angela Zimmerling
Blick von der Fähre auf die Elbe in Schmilka © ThielPR, Angela Zimmerling
Blick auf Schmilka von der Fähre © ThielPR, Angela Zimmerling
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