Gräfin Cosel (c) Burg Stolpen©: Burg Stolpen

Die Burg Stolpen ist vor allem durch ihre berühmteste Gefangene, die Gräfin Cosel bekannt. 49 Jahre lebte sie als Staatsgefangene in den Mauern der Veste Stolpen. In der heutigen öffentlichen Wahrnehmung war sie die Frau an der Seite Augusts des Starken. Die rechtmäßige Gemahlin des sächsischen Kurfürsten und Königs von Polen (Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth) wurde in der Wahrnehmung nahezu völlig verdrängt.

D31650-Elbdampfer

Wie zur Bestätigung fahren zwei Salonfahrgastschiffe der Sächsischen Dampfschifffahrt die Elbe auf und ab, das eine trägt den Namen „August der Starke“, das andere heißt „Gräfin Cosel“. Man stelle sich vor, in Amerika würden zwei touristische Schaufelraddampfer den Mississippi befahren, der eine hieße „John F. Kennedy“, der andere „Marilyn Monroe“. Was in Amerika undenkbar erscheint, ist in Sachsen eine öffentlich akzeptierte Tatsache.

Die Gräfin Cosel ist zu einer Symbolfigur sächsischer Geschichte geworden. Dabei war bis heute nicht schlüssig erklärt, warum die Gräfin Cosel zeitlebens, weit über den Tod Augusts des Starken hinaus, auf Stolpen in Verwahrung blieb. Der Schlüssel zur Klärung dieser Frage liegt im Temperament der Gräfin Cosel begründet.

(c) Burg Stolpen©: Klaus Schieckel/ Burg Stolpen

2015 jährte sich der Todestag der Gräfin Cosel zum 250. Mal. Die Burg Stolpen nahm dieses Ereignis zum Anlass, die museale Dauerausstellung im Johannis-(Cosel-)turm um die Komponente „Mythos Cosel“ zu erweitern. Neben der Grablege der Gräfin Cosel in der Burgkapelle ist der Coselturm seit mehr als 100 Jahren der wichtigste Erinnerungsort an die markante Gräfin. Der Turm erfüllt heute Merkmale einer Memorialstätte. 2016 jährte sich die Ankunft der Gefangenen auf der Festung Stolpen zum 300. Mal.

Erinnerungsblatt

Die Überlieferung über die Gräfin Cosel ist sehr stark durch die Literaten geprägt worden. Bereits zu Lebzeiten der Gräfin, drei Jahrzehnte vor ihrem Tod, erschien „Das galante Sachsen“ von Karl Ludwig von Pöllnitz. Mit feinem Gespür offeriert der Autor die Klatschgeschichten aus den Dresdner Salons und gibt so ein einprägsames Sittenbild der Zeit. Der historische Wahrheitsgehalt seiner Ausführungen war dem Autor nebensächlich.

So finden wir bei Pöllnitz Aussagen, die bis heute nachwirken, beispielsweise die Feststellung, Kabinettsminister Flemming habe die Gräfin Cosel zeitlebens zu stürzen gesucht. In dieser Tradition steht Eduard Vehse, der zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Geschichte der deutschen Höfe verfasste.

Maskenball Gräfin Cosel (c) Burg Stolpen©: Burg Stolpen

Die volkstümliche Überlieferung ging nun auf die Romanciers über. Vor allem Józef Ignacy Kraszewski erlangte mit seinen zwischen 1873 und 1885 erschienenen Romanzyklus „Aus der Sachsen-Zeit“, einen nachhaltigen Erfolg. Im ersten Band „Gräfin Cosel“ schuf er ein Werk, das die bereits weit verbreitete Bekanntheit der Cosel im sächsischen Volksbewusstsein verfestigte. Freimütig bekannte Kraszewski zur Aufgabe des Romanschriftstellers in Bezug auf historische Epochen: Die Vorstellungskraft dichtet das Fehlende hinzu.

Die Wahrhaftigkeit des historischen Romans entwickelt sich nicht aus seiner Nähe zur Realität, sondern aus seiner Glaubwürdigkeit, die er entfaltet. Kraszewski war darin ein Meister. Alle technischen Neuerungen des 20. Jahrhunderts wie Film und Fernsehen nahmen Kraszewskis Roman zur Grundlage. Heute, so scheint es, hat die Gräfin Cosel fast alle Lebensbereiche durchdrungen. Zu einer nahezu permanenten öffentlichen Erscheinung ist sie jedochl erst in unseren Tagen geworden.

Coselturm Klaus Schieckel

Der renovierte Johannis-(Cosel-)turm auf der Burg Stolpen mit seiner überarbeiteten Dauerausstellung bemüht sich nun um eine möglichst realistische Sicht auf die Ereignisse. Ausführlich wurden die Umstände und die Lebenswirklichkeit der Gräfin Cosel auf Stolpen recherchiert. Die museale Dauerausstellung bedient sich des Gestaltungsmittels der Inszenierung, denn die materielle Überlieferung von originalen Gegenständen aus dem Leben der einst so einflussreichen Frau ist äußerst gering.

Coselbibel (c) Burg Stolpen©: Jürgen Major

Lediglich eine Bibel, die die hochbetagte Gräfin Cosel in ihren letzten Lebensjahren benutzte, blieb erhalten, ebenso, wie ein neu erworbener Originalbrief der Gefangenen.

Autor: Jens Gautzsch (gekürzte Fassung)

Informationen zu Burgen und Schlösser der Sächsischen Schweiz gibt es hier:

www.saechsische-schweiz.de/kultur

Bildnachweise:

  • Gräfin Cosel: Burg Stolpen
  • Burg Stolpen Kanonenhof: Klaus Schieckel/ Burg Stolpen
  • Maskenball Gräfin Cosel: Burg Stolpen
  • Coselbibel: Jürgen Major
  • Logo Sächsisch-Böhmische Schweiz: TVSSW
  • cbaWinterwandernSchmilkaerKesselTPR_8913: Sebastian Thiel

1 Comment

  1. Horst Otto
    Der Schlüssel zur Klärung der Frage, warum die Gräfin über den Tod der beiden Könige August II. und III. auf Stolpen in Verwahrung blieb, liegt nicht im Temperament der Gräfin, sondern in der fragwürdigen Personalunion mit Polen. Das polnische Abenteuer kam die Sachsen teuer zu stehen. Aus der sächsischen Staatskasse flossen Unsummen an Bestechungsgelder an den polnischen Adel.
    Auch der Glaubenswechsel, der nur aus machtpolitischem Kalkül geschehen war, entfremdete die Landesherren von ihren protestantischen Untertanen.
    Dies hatte die Gräfin alles voraus gesehen. Sie hatte August immer wieder damit konfrontiert. Das „Polnische Abenteuer“ ließ es nicht zu, die Gräfin aus der Isolation zu befreien. August III. machte die Handlungen und Briefwechsel bis 1756 zur Chefsache. Danach verlor der Hof auf Grund der machtpolitischen Verhältnisse jegliches Interesse an der Gräfin. Nicht mal mehr für eine Schlussentscheidung war er in der Lage. So war schließlich das Amt von Stolpen für die Gräfin zuständig.
    Die Aussagen von Pöllnitz und Vehse, dass Flemming die Gräfin zeitlebens zu stürzen versuchte, sind völlig zutreffend. Sie eignen sich auch hervorragen zur Beantwortung der Schlüsselfrage(siehe oben).