Vor 200 Jahren war die Sächsisch-Böhmische Schweiz Schauplatz der antinapoleonischen Befreiungskriege. Noch heute findet man zahlreiche Zeugnisse aus dieser Zeit – und zwei neue Ausstellungen. Auch ein Familienerlebnispark greift das Thema auf.

Heute ist das Elbsandsteingebirge eine der beliebtesten mitteleuropäischen Wanderregionen. Auch vor über 200 Jahren verehrten bereits Maler, Musiker und Literaten die friedvolle Zeitlosigkeit der urwüchsigen Naturlandschaft unweit von Dresden. Doch 1813 holte das Weltgeschehen die aus Sächsischer und Böhmischer Schweiz bestehende Region mit voller Wucht ein. Es war die Zeit der Kriege zur politischen Neuordnung Europas nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Und Napoleon I. hatte der Felsenwelt dabei eine Schlüsselrolle zugedacht. Die Hauptgefechte fanden dann zwar woanders statt. Doch noch heute finden geschichtsinteressierte Wanderer faszinierende Relikte aus dieser Zeit.

„Sachsen und Napoleon – ein Pakt mit dem Teufel“ heißt eine neue Ausstellung, die seit April auf der Festung Königstein in der Sächsischen Schweiz zu sehen ist. Sie erinnert an die Zeit der antinapoleonischen Befreiungskriege, deren Hauptschauplatz Sachsen war. Das damalige Königreich war Verbündeter Frankreichs gegen Preußen, Russland und Österreich. Mit katastrophalen Folgen.

Die kriegsentscheidende Völkerschlacht im Oktober 1813 bei Leipzig mit etwa 90 000 Gefallenen ist das bekannteste Ereignis der Zeit. Doch bereits seit dem Frühjahr agierte Napoleon im Königreich Sachsen. Auf die Schlachten bei Lützen, Bautzen und Reichenbach, folgten einige Monate relativer Ruhe, die der französische Kaiser nutzte, um sich auf die Kampfhandlungen im Herbst vorzubereiten. Dabei galt sein besonderes Interesse dem Elbsandsteingebirge, das er ausgiebig inspizierte.Luftaufnahme©: Herbert Boswank

„Napoleon war dafür bekannt, sich umfassende Kenntnis über zukünftige Kampfgebiete zu verschaffen – und ließ neue Heerstraßen bauen“, erklärt der Museologe Ingo Busse, der die Napoleon-Ausstellung auf dem Königstein konzipiert hat. Einer seiner Erkundungsritte führte den Kriegsherren auch an den Fuß der Festung. Seinerzeit sicherster Ort im ganzen Königreich. Der sächsische Verbindungsoffizier Otto von Odeleben zeigte ihm die eindrucksvolle Wehranlage.

Kaiserstraße, Fundamente, Erdbefestigungen

Zwischen Königstein und der Burgstadt Stolpen ließ Napoleon, als Verbindung in die Oberlausitz, die „Kaiserstraße“ anlegen. In Königstein entstanden zwei Schiffsbrücken über die Elbe, am gegenüberliegenden Tafelberg Lilienstein ein französisches Truppenlager, um den strategisch wichtigen Transportweg zu schützen. Noch heute kann man hier und entlang der Straße mehrere Hinweise auf den Aufenthalt französischer Militärs entdecken: unter anderem die Reste einer Schanze, die Quelle „Franzosenborn“ und Fundamentreste von Truppenunterkünften.

Bei Hohnstein, auf dem beliebten Aussichtspunkt „Schanzberg“, etwa auf halber Strecke zwischen Königstein und Stolpen findet man eine weitere Erdbefestigung. Und etwas weiter, bei Hohburkersdorf, die Napoleonlinde mit einem herrlichen Panoramablick und einer Informationstafel über die Zeit der Befreiungskriege. Im Sommer 1813 wurde auch Burg Stolpen, heute vor allem als Gefängnis der Gräfin Cosel berühmt, zu einem französischen Fort. Auf dem Schloss Kuckuckstein erfolgte während der Kriegstage 1813 prominente Einquartierung. Am 9. September 1813 übernachtete hier Napoleon mit seinem Generalstab. Zweimal nahm Marschall Sr. Cyr Quartier, beim letzten Aufenthalt wurde das Carlowitz‘sche Schloss demoliert.

Das größte Gefecht in der Region – neben der Schlacht bei Dresden – war die Schlacht bei Kulm nahe Teplice (Teplitz) und ÚstĂ­ nad Labem (Aussig) in Böhmen, Ende August 1813. Ein Denkmal an der Europastraße 442 von Děčín (Tetschen-Bodenbach) nach Teplice erinnert seit 100 Jahren daran. Weitere Gedenkorte sind bei VarvaĆŸov (Arbesau) das preußische Denkmal von 1817, mit einem Medaillon des Königs Friedrich Wilhelm III., und das österreichische Denkmal von 1825 für den General Colloredo-Mansfeld. Bei Pƙestanov (Priesten) findet man das 1835 von Peter von Nobile errichtete Russische Denkmal und im Sernitztal oberhalb von Ćœandov u Chlumce (Schanda) den Franzosenobelisk von 1913

Anlässlich ihres 200. Jahrestages, wird die Schlacht bei Kulm am 31. August und 1. September von Uniformgruppen vor Ort aufwendig nachgestellt. Dazu gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm. Auch das Stadtmuseum von ÚstĂ­ nad Labem wird sich ab Juni mit einer Sonderausstellung dem Thema Napoleon widmen.

„Franzosensprung“ als Wanderziel, Geocache und Familienerlebnis

Der Aufenthalt Napoleons in der Region ist auch Stoff für Legenden. So soll ein französischer Kurier auf der Flucht vor seinen russischen Verfolgern zunächst einen kriegsentscheidenden Brief an Napoleon zusammen mit erbeutetem Gold und Edelsteinen in einer Felsspalte in den Tyssaer Wänden in der Böhmischen Schweiz versteckt haben, und sich später durch einen kühnen Sprung mit seinem Pferd in die Tiefe seiner Gefangennahme entzogen haben.

Heute heißt dieser Ort bei Gohrisch „Franzosensprung“ und ist ein beliebter Aussichtspunkt. Auch ein Geocache zu diesem Thema ist hier versteckt. Außerdem greift der im Frühjahr öffnende Familienerlebnispark SteinReich in Hohnstein (Ortsteil Rathewalde) neben weiteren Märchen, Sagen und Legenden aus der Region diese Geschichte auf.

Nach Kulm verlagerten sich die militärischen Aktivitäten bald in den Leipziger Raum und gipfelten schließlich mit der Niederlage Frankreichs und Sachsen in der Völkerschlacht. Die neue Ausstellung auf dem Königstein zeigt neben eindrucksvollen Original-Exponaten – darunter auch ein Zweispitz Napoleons aus dem MusĂ©e de l’ArmĂ©e, Paris – welche bitteren Konsequenzen die Allianz mit Frankreich hatte. Zehntausende Sachsen verloren ihr Leben, Städte und Landstriche wurden verwüstet – und das gesamte Königreich wäre um ein Haar komplett an Preußen gefallen und für immer von der politischen Landkarte Europas verschwunden.

Informationen zur Napoleon-Ausstellung auf der Festung Königstein: www.festung-koenigstein.de.

Informationen zur Nachstellung der Schlacht bei Kulm unter www.napoleonskebitvy1813.cz (auch deutschsprachig)

Bildnachweise:

  • Luftaufnahme: Herbert Boswank
  • Logo Sächsisch-Böhmische Schweiz: TVSSW
  • Winterwandern Nationalparkregion Sächsische Schweiz: Sebastian Thiel

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