Kinder lieben Abwechslung – erst recht beim Wandern. Pfaffenstein und Quirl sind dafür wie gemacht. Zwei Tafelberge mit vielen Ecken, Kanten und Schlupflöchern. Ein Wandertipp für kurze Beine.

Den Pfaffenstein kann man sich vorstellen wie ein Pfund Schweizer Käse. Aus der Ferne ein kompaktes, schweres Gebilde mit senkrechten Wänden und Kanten – aus der Nähe aber ein ziemlich luftdurchlässiges Ding. Zerbrochen und durchlöchert, voll tiefer Klüfte, Kerben und Gänge. Und genau das macht den mächtigen Tafelberg bei Königstein auch zu einem der beliebtesten Felsmassive im gesamten Elbsandsteingebirge. Hat man ihn erst erklommen, ist es oben kaum möglich mehr als drei Schritte zu laufen, ohne rechts oder links etwas Spannendes zu entdecken, das einen vom geraden Weg abbringt: Neckische Pfade, die still und heimlich im Gebüsch verschwinden. Verschwiegene Winkel und Nischen, abenteuerliche Tunnel und Schlupflöcher. Alte Mauern und Inschriften. Um es kurz zu machen: ein Paradies für Kinder!

Nicht umsonst genießt der Pfaffenstein in Wanderkreisen seit Jahrzehnten einen Ruf als Familiengipfel. Das Abenteuer beginnt schon am Aufstieg – vorausgesetzt, man lässt den „Bequemen Weg“ gleich rechts liegen und steigt stattdessen links über Stufen und Treppen den Waldhang hinauf zum Nadelöhr. Am Ende der Schlucht führt eine Eisenleiter hinaus ins Freie, mitten durch ein enges Loch. Durchs Nadelöhr passen wirklich keine Kamele – Kinder hingegen völlig problemlos!

Oben angekommen, empfiehlt sich gleich links ein Abstecher zur Nordaussicht am Bundesfels – ein bekannter Klettergipfel, der unschwer an seinem kanzelartigen Maueraufsatz zu erkennen ist. Der ominöse Altar ist in Wirklichkeit eine ehemalige Feuerstelle. Ein Relikt aus der Zeit von 1905-1945, als hier ein Schützenbund, der auf dem Pfaffenstein einen Kleinkaliber-Schießstand betrieb, seine Sonnenwendfeuer entzündete. Das Panorama ist eines der schönsten im Elbsandsteingebirge und besonders in den frühen Morgenstunden oft ein mystisches Erlebnis, wenn aus dem Elbtal Nebelschleier bis hinauf auf die Ebenen unterm Lilien-, Königs- und Pfaffenstein ziehen und die drei Tafelberge in Watte packen. Es sieht märchenhaft aus. Pippi Langstrumpf hätte diesen Platz gemocht – aus einem ganz anderen Grund: „Nach unten könnte man schon fliegen lernen. Sicher ist es schwerer, nach oben zu fliegen. Aber man könnte ja mit der leichteren Art anfangen. Ich glaube wirklich, ich versuche es.“ Wer das berühmte Zitat der kleinen schwedischen Rumtreiberin im Ohr hat, nimmt seine Kinder hier lieber mal kurz an die Hand!

©: H.Landgraf

Anschließend geht´s zurück zum Hauptweg und dann ganz bequem Richtung Berggaststätte weiter. Die legendäre Himbeer-Limonade dort sollte man aber in weiser Voraussicht noch ein Weilchen als Joker in der Hinterhand behalten! Vorher ist ein zweiter Abstecher Pflicht! Links geht´s geradewegs hinein in einen historischen Kriminalfall – zur Goldschmidthöhle. Friedrich Eduard Goldschmidt, ein aus Königstein entflohener Fälscher, stellte hier um 1854 in einem Versteck falsche Fünf-Gulden-Scheine her. Er wurde bald gefasst und mitsamt seinen Komplizen ins Zuchthaus gesteckt. Zu den Verurteilten gehörte damals auch der erste Bergwirt des Pfaffensteins, Goldschmidts Schwager Carl Gottlieb Kliemann. Zum Tatort geht´s kurz vor der Ostaussicht links eine schmale, unauffällige Schlucht hinunter. Ein paar Minuten und Treppen später steht man am Eingang der Höhle. Drinnen gibt´s noch immer dunkle Geschöpfe: In allerlei Nischen und Löchern lauern Winkelspinnen auf fette Beute.

©: H.Landgraf
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Nach der willkommenen Rast im Gasthof und dem sicherlich obligatorischen Besuch des Aussichtsturms (29 Meter hoch) geht´s recht abenteuerlich hinüber auf die andere Seite des Plateaus zu einem der bekanntesten Wahrzeichen der Sächsischen Schweiz: zur Barbarine. Für Brausefinger ist der 15-Minuten-Treppenparcours vom Gasthof zur berühmten steinernen Jungfrau genau das Richtige. Die Hände werden zwar grün und schwarz in den moosigen, presswurstengen Klüften – aber sie kleben wenigstens nicht mehr! Und am Ende der Tour wartet wieder eine spannende Geschichte: Vor langer Zeit, als Bäume und Steine noch sprechen konnten, musste hier eine Jungfrau ihre Naschsucht teuer bezahlen – sie war in die Heidelbeeren statt in die Kirche gegangen, ihre Mutter bekam Wind davon und verwünschte die Maid aus lauter Zorn zu Stein. Da steht sie nun als stumme Säule in der Landschaft – und kann nicht mal mehr mit dem Kopf wackeln. Das verhindert die gemauerte Halskrause, die ihr schönes Haupt seit mehr als 50 Jahren vorm drohenden Absturz bewahrt. Sogar die Bergsteiger halten deswegen seit Jahrzehnten Abstand von der Barbarine – seit 1975 wird sie nur noch gelegentlich zu Forschungs- und Sanierungszwecken bestiegen.

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Zurück in die bedrückende Enge der Schluchten und Felstunnel. An mancher Stelle wünscht man sich auf dem Pfaffenstein wirklich, einen Kopf kürzer zu sein! Folgerichtig geht´s beim Abstieg über den Klammweg unter dem „Fallbeil“ durch. So heißt eine scharfkantige Felsplatte, die direkt überm Weg zwischen den Wänden klemmt – bis die Zeit eines Tages vielleicht den Hebel umlegt. Wenn die Kraft in den kürzesten Beinen noch reicht, lohnt sich mit Kindern auch ein Abstecher zum benachbarten Tafelberg: zum Quirl. Ganz anders als sein prominenter Nachbar führt der weitläufige, flachere Tafelberg nördlich vom Pfaffenstein ein stilles, nur wenig beachtetes Dasein. Bis auf einen Schatz, den der Quirl auf seiner Ostseite hütet: den Diebskeller. Während die größte Höhle am Pfaffenstein (die Bellohöhle am Jäckelfels) touristisch nicht erschlossen ist und ein bisschen Kletterei erfordert, kann man die Höhle am Quirl völlig gefahrlos und bequem auch mit ganz kleinen Kindern begehen. Ihr gewaltiger Schlund reicht bis zu 30 Meter tief ins Bergesinnere hinein, am Eingang erinnert ein steinerner Tisch an die kurfürstlichen Jagdgesellschaften, die hier im 18. Jahrhundert so manches Gelage feierten. Mit etwas Glück und nach einem warmen Sommerregen kann man beobachten, wie die feuchte Luft einen dunklen Nebelteppich auf dem Höhlenfußboden bildet, der minutenlang zwischen den Felswänden webt – wie der Atmen eines schlafenden Drachen. Spätestens dann wird auch der quirligste Wandergefährte einen Moment lang ruhig werden und atemlos dieses Naturschauspiel anstaunen. Und sich dabei eines einprägen: Die Sächsische Schweiz ist ein Märchenland!

©: H.Landgraf
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Kurzbeschreibung:

Zwei Tafelberge mit vielen abenteuerlichen Ecken, Kanten und Schlupflöchern – für eine Tour mit Kindern sind Pfaffenstein und Quirl wie geschaffen. Vom Parkplatz in Pfaffendorf geht´s über den Malerweg steil und anstrengend, aber dafür kurz und spannend, durchs Nadelöhr aufs Gipfelplateau des Pfaffensteins – ca. 30 min. Dann weiter am Berggasthof vorbei über Treppen und Klüfte zur Barbarine auf der anderen Seite des Pfaffensteins (vom Gasthof ca. 15 min). Anschließend recht verwinkelt über den Klammweg abwärts zum Fuß des Berges und in 30 bis 40 Minuten hinüber zum „Diebskeller“ am Quirl. Die mächtige Schichtfugenhöhle ist problemlos begehbar und mit Kindern ein echtes Abenteuer! Anschließend an den Feldern oberhalb von Pfaffendorf entlang zum Parkplatz zurück.

  • Distanz 6,1 Kilometer
  • 351 Höhenmeter
  • Wanderzeit ca. 3 h (ohne Rast)
  • Charakter: für Kinder anstrengend aber abenteuerlich!
  • Einkehrmöglichkeiten: u.a. Pension und Gasthaus „Zum Pfaffenstein“ am Parkplatz in Pfaffendorf und Berggaststätte auf dem Pfaffenstein
  • Parkplatz: unterhalb vom Pfaffenstein in Pfaffendorf
  • ÖPNV:  S-Bahn bis Königstein, dann zu Fuß oder im Sommer mit der Steine-Linie 244a Königstein, Gohrisch, Papstdorf, Cunnersdorf. Fahrplaninfos: www.rvsoe.de

Mehr Infos, weiterführende Wandertipps und Route zum Download: www.sandsteinblogger.de

Zum Autor:

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Hartmut Landgraf lebt und arbeitet als freier Journalist, Texter und Herausgeber des Online-Magazins SANDSTEINBLOGGER.DE in Dresden. Die Touren- und Reportage-Website hat ihren Schwerpunkt im Elbsandsteingebirge, ist thematisch aber auch in anderen Ecken der Welt unterwegs. 2016 war das Magazin Medienpartner des Deutschen Wandertages und wurde 2017 in Innsbruck mit dem traditionsreichen BergWelten-Journalismuspreis ausgezeichnet.

Fotos:
alle Fotos dieses Blogartikels © Hartmut Landgraf, SANDSTEINBLOGGER.DE

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